Unser Pastor
Beitrag aus dem Jahre 2013 - kurz nach dem Wechsel zum Neuenhainer Bezirk:
Liebe Leserin, lieber Leser,
es geschah in einer lauen Sommernacht irgendwo auf einem Campingplatz in Südfrankreich. Das Abitur gerade in der Tasche, saß ich mit meinem Freund Mägges in seinem alten Opel Kadett B. Wir hörten Musik und sprachen darüber, wie es jetzt beruflich mit uns weitergehen soll. Wir wussten es beide nicht. Doch plötzlich fragte mich Mägges: "Warum wirst du eigentlich nicht Pastor, du bist doch sowieso die meiste Zeit in der Kirche?"
Diese Frage traf mich wie ein Blitz vom Himmel. Nie hatte ich an so etwas gedacht. Pastor? Ich war unglaublich schüchtern, lief rot an, wenn ich in einer Gruppe etwas sagen musste. Doch Gott hatte mich seit diesem Moment nicht mehr losgelassen und auf diesen Berufs- und Lebensweg geschickt, den ich mir damals überhaupt nicht vorstellen konnte.
Der Urlaub mündete in eine Jugendfreizeit ein mit einem Abschlussgottesdienst, in dem Pastor Hartmann über Jeremia 1, Vers 7 predigte: "Sage nicht: "Ich bin zu jung", sondern du sollst gehen, wohin ich dich sende, und predigen alles, was ich dir gebiete." Es war, wie wenn Gott jedes einzelne dieser Worte persönlich zu mir gesprochen hätte.
Nach einem sozialen Jahr in einem Altersheim zog ich dann mit einer Empfehlung meiner Heimatgemeinde Pforzheim nach Mannheim zum einjährigen Gemeindepraktikum. Der Dienst fühlte sich zwar ständig als "viel zu groß für mich" an, aber die Mannheimer urteilten schließlich einstimmig: "Dein Wirken und deine Verkündigung waren sehr wertvoll für uns." Okay, wenn ihr das so meint ...
Es folgte ein vierjähriges Studium am Theologischen Seminar in Reutlingen und zwei Jahre Dienst als Pastor auf Probe auf dem Bezirk Bruchsal. Wieder bestätigten mich die Gemeinden mit ihrer Beurteilung. Wäre es auch in dieser Zeit nach meinen Gefühlen gegangen, hätte ich wieder am liebsten vor dieser großen Aufgabe kapituliert. Aber es ist eine große Stärke in der Ausbildung unserer Kirche, dass wir neben der persönlichen Berufungsgewissheit viel Wert auf das Einschätzungsvermögen einer Gemeinde legen.
Nach meiner Ordination im Jahr 1989 war ich dann 3 Jahre Leitender Pastor auf dem Bezirk Offenbach. Danach führte mich mein Weg nach Friedrichsdorf, wo ich zwanzig Jahre lang meinen Dienst versehen durfte. Dies war eine erfüllende Zeit für mich, in der ich in vielfältiger Weise erleben durfte, dass wir einen lebendigen Gott und Herrn Jesus Christus haben, der immer noch Menschen berührt, beruft und verändert. Und ich darf mithelfen!
Nun hat mich mein Weg nach Neuenhain geführt. Ich habe mich sehr auf diese Aufgabe gefreut. Aber - Sie ahnen es schon - ich bin immer noch nicht als der pastorale Held gekommen, der aufgrund seiner fünfundzwanzigjährigen Berufserfahrung nun endlich alles im Griff hat, sondern immer noch als ein Abhängiger. Abhängig von Jesus, der allein Berufung und Vollmacht verleihen kann. Und abhängig von Ihnen und Ihrer Bereitschaft, mit mir nach dem zu fragen, was Jesus mit uns gemeinsam vorhat.
Ihr Clemens Klingel
Beitrag vom Herbst 2019:
Lieber Leserin, lieber Leser,
in der letzten Zeit lief ich an vielen abgeernteten Feldern vorbei. Manchmal kamen mir dabei die Tränen, denn ich spürte, wie sehr dieses äußere Bild meinem inneren Erleben entsprach. Durch den Tod meiner Frau fühlte sich mein Leben auch wie ein radikal abgeerntetes, brach liegendes Feld an.
Es gibt Ereignisse, die greifen ganz tief in unser Leben ein. Das kann der Tod eines lieben Menschen sein. Oder der Bruch einer Beziehung. Oder eine schwere Krankheit. Oder der Verlust des Arbeitsplatzes. Oder eine versiebte Prüfung. Oder, oder, oder... Und plötzlich liegt unser Leben wie brach da, wie ein Stoppelacker, auf dem alles platt gemacht worden ist.
Unsere natürliche Reaktion ist dann, dass wir uns nach einer möglichst schnellen Heilung oder Lösung oder einem Ersatz sehnen. Doch der Blick in die Natur lehrt uns, dass es viel Zeit und Geduld braucht, bis ein abgeerntetes Feld wieder zum Blühen kommt. Und wie wichtig ist gerade diese Leere, diese Brachzeit des Herbstes und des Winters! Die Felder brauchen diese Phase, um auszuruhen und neue Kraft zu schöpfen, damit sie im Frühjahr wieder empfangsbereit sind für die neue Aussaat.
Manchmal ist es im Leben ganz wichtig, die Leere auszuhalten. Das sage ich als einer, den die Leere gerade persönlich fürchterlich schmerzt. Aber ich weiß, wie wahr und wichtig dieses natürliche und auch geistliche Lebensprinzip ist.
Jesus starb an einem Karfreitag. Darauf folgte nicht sofort der Ostersonntag. Nein, ein langer und schmerzhaft leerer und stiller Karsamstag musste ausgehalten werden, bevor das Licht der Auferstehung hervorbrechen konnte.
Die Karsamstage und Brachzeiten sind für unser Leben wichtig. Niemand wünscht sie sich herbei. Aber wenn sie kommen, dann ist es wichtig, dass wir auch zu ihnen „Ja“ sagen. Ihr Sinn bleibt uns meistens erst einmal verschlossen, aber wir dürfen mit einem Blick in die Natur ahnen, dass sie etwas Neues vorbereiten könnte. Und der Blick auf Golgatha offenbart uns, dass der Karsamstag und der Tod nicht das letzte Wort haben, sondern der Ostermorgen und der Auferstandene, der uns zuruft: „Ich lebe und ihr sollt auch leben!“
Wenn nun die immer kürzer werdenden Tage und die Tiefdruckgebiete die Natur in ein immer tristeres Gewand hüllen werden, dann werde ich dennoch draußen spazieren gehen. Und ich werde diese Brachzeit bewusst annehmen und in mich aufnehmen. Und ich werde spüren, wie in der Tiefe ihrer Stille neue Kraft erwächst und neues Leben keimt.
In diesem Sinne wünsche ich gesegnete Herbsttage!
Ihr Pastor Clemens Klingel