Text der Predigt zum Sonntag Trinitatis am 7. Juni
07.06.2020
Liebe Gemeinde, ich spreche heute über die Dreieinigkeit Gottes.
Vorab ein kleine Geschichte:
Der große Kirchenvater Augustinus ging einmal - so wird erzählt - am Meer spazieren. Und er sann bei seinem Spaziergang über das Geheimnis der Trinität Gottes nach. Da bemerkte er ein Kind, das mit seinem Eimerchen immer wieder zum Wasser lief, es dort füllte und das Wasser dann in einen kleinen abgegrenzten Sandteich goss. "Was machst du denn da?" fragte Augustinus. "Ich? Ich möchte das Meer in meinen Teich schöpfen!" Der große Gelehrte des Christentums musste lachen: "Das wird dir nie gelingen!" Da richtete sich das Kind auf und erwiderte: "Ich mache es nur wie du: auch du willst mit deinem kleinen Verstand das große Geheimnis des dreieinigen Gottes ausschöpfen."
Ja, so ist das mit dem Meer. Wir können es nicht leerschöpfen. Und wir können auch das Geheimnis Gottes nie mit unserem Nachdenken ganz erfassen. Vielleicht können wir ab und zu mal ein paar Eimerchen schöpfen, doch es ist vermessen, wenn wir denken, damit Gott wirklich zu erfassen.
Dennoch sollten wir daraus nicht die falsche Konsequenz ziehen und das Nachdenken sein lassen. Gott begreifen können wir letztendlich nicht, aber beim Nachdenken können wir über ihn staunen und froh werden, dass Gott so ist, wie er ist. Unser Nachdenken sollte also als letzte Konsequenz ins Anbeten führen. "Ich kann dich gedanklich nicht fassen, Gott, aber ich danke dir, dass du so bist, wie du bist."
Unter dieser Voraussetzung möchte ich mich nun in 7 Gedankenschritten dem trinitarischen Geheimnis nähern. Mein erster Schritt:
1. Gott ist
Das klingt banal, aber das möchte ich uns am Anfang erst einmal als Voraussetzung bewusst machen: Es gibt einen lebendigen Gott, der diese Welt mit allem, was ist, konzipiert und geschaffen hat - auch uns Menschen. Und ich bin davon überzeugt, dass Gott uns Menschen einen Sinn für ihn eingepflanzt hat. In allen Kulturen, zu allen Zeiten haben sich Menschen auf die Suche nach Gott gemacht - eben weil Gott uns diese Sehnsucht nach ihm eingepflanzt hat. Auch aller moderner Atheismus kann diese innere Stimme in uns nicht auslöschen: Gott ist. Aber wer und wie ist dieser Gott?
2. Gott offenbart sich in der Bibel
Die meisten Religionen sind sich darin einig, dass es ein transzendentes, höheres Wesen gibt. Und wir entdecken auch Spuren dieses Gottes in dieser Welt: Die Schöpfung spiegelt z. B. den Schöpfer wieder. Oder das Gewissen bzw. das Gespür für Moral deutet auf eine höchste moralische Instanz hin. Oder ein letztes Beispiel: Vielleicht ist die Tatsache, dass wir überhaupt Gott denken können, schon ein Hinweis auf Gottes Existenz. Doch all diese Spuren führen nur zu einem sehr abstrakten Gottesgedanken.
Ich bin davon überzeugt, wenn wir wirklich etwas über das Wesen Gottes erfahren wollen, dann sollten wir in die Bibel schauen. Denn hier offenbart sich Gott. Hier erfahren wir etwas über Gott durch unzählige Erfahrungen, die Menschen seit Jahrtausenden mit Gott gemacht haben.
3. Es gibt nur einen Gott
Wenn wir in die Bibel schauen, um etwas über Gottes Wesen zu erfahren, so ist das eine biblische Grundwahrheit: Es gibt nur einen Gott, der wirklich existiert. Alles andere ist Einbildung und menschliche Erfindung (die Bibel nennt das Götzen, menschengemachte Gottesprojektionen).
Das Grundbekenntnis der Bibel lautet: Jesaja 44, 6 "So spricht der Herr: Ich bin der Erste und der Letzte und außer mir ist kein Gott."
Das ist die Basis des jüdischen und des christlichen Glaubens, auch übrigens die Basis des Islam.
Deshalb gilt: Gott darf nicht auseinanderdividiert werden. Auch wenn wir von Gott als dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist sprechen, so ist das keine Addition von drei Göttern. So in dem Sinne: Es gibt einen Gott, der Vater ist und einer, der Sohn ist und dann noch den Heiligen Geist. Nein: Gott ist Vater, Gott ist Sohn, Gott ist Heiliger Geist in einem. Der eine lebendige Gott.
Wie kommt es aber zu dieser seltsamen Rede von Gott, dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist? Haben sich das irgendwelche Menschen ausgedacht, gewissermaßen am grünen Tisch? Ist die Dreieinigkeit Gottes also nur irgendeine graue Theorie, mit der sich ein paar Pfarrer oder Professoren wichtigmachen wollten?
Nein, die christliche Lehre von der Trinität wurzelt nicht im Nachdenken, sondern in der Erfahrung. Die ersten Christen fingen nicht an, von Gott, dem Vater, Sohn und Heiligem Geist zu sprechen, weil sie sich das ausgedacht hatten, sondern weil sie Gott so erlebt haben. Sie haben ihn nicht nur als den erhabenen Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde kennengelernt. sondern auch in der Begegnung mit Jesus Christus.
4. Jesus Christus, wahrer Gott
Dass Jesus über diesen Erdboden gelaufen ist, das müssen wir nicht glauben. Das ist geschichtliche Tatsache. Es gab ihn genauso wie es einen Alexander den Großen gab oder einen Dschingis Khan. Jesu Existenz wird nicht nur in der Bibel, sondern auch in vielen anderen historischen Dokumenten bezeugt.
Und es ist so, dass viele Menschen Jesus live erlebt haben. Und er muss dabei ganz schön Eindruck gemacht haben, nicht nur auf seine Anhängerschaft. Man mutmaßte nicht ohne Grund, ob das nicht der von Gott versprochene Messias ist, der Immanuel, der Gott mit uns.
Allerdings lief Jesus nie herum und sagte: Hey, ich bin der Größte und ich bin Gott. Nein, Jesus war überaus zurückhaltend mit Bezeichnungen über sich selbst. Dennoch spürten die Leute, die ihm begegneten: Der hat wirklich etwas Göttliches in sich, selbst die Feinde spürten das in seiner Autorität.
Doch dann kam das jähe Ende. Natürlich fielen Jesu Nachfolger in ein ganz tiefes Loch, als ihr Messias plötzlich am Kreuz hing und elendiglich starb. Da zweifelten sie alles an.
Aber dann geschah etwas Überwältigendes: Frauen und Männer begegneten Jesus nach seinem Tod plötzlich wieder und hörten seine atemberaubende Botschaft: "Ich lebe und ihr sollt auch leben. Durch mich ist das Tor ins ewige Leben nun offen."
Und durch diese Auferstehungsbegegnungen ist es den Jüngern dann endgültig klar geworden: Jesus war nicht nur irgendein besonderer Mensch gewesen, sondern in ihm kam und kommt wirklich Gott zu uns. Das erste Bekenntnis zu Jesus nach Ostern lautete: "Mein Herr und mein Gott." "Mein Gott!", so sprach Thomas, nachdem er Jesus als dem Auferstandenen begegnet war.
Das war also keine Theorie der ersten Christen, sondern überwältigende Erfahrung. Und jetzt erinnerten sie sich auch an solche geheimnisvolle Worte Jesu wie: "Ich und der Vater sind eins." Sie begriffen das nach der Auferstehung, was dann im 1. Johannesbrief 5,20 so klar auf den Punkt gebracht ist: "Jesus Christus ist der wahrhaftige Gott."
Noch einmal: Das war keine Theorie, sondern so haben sie Jesus erlebt. In ihm war und ist Gott präsent.
Natürlich muss man sich dann fragen: Wie passt das aber zusammen mit unserem Glauben an den einen Gott? War Gott also ganz in Jesus zu uns gekommen? Aber wie konnte Jesus dann immer wieder zu seinem Vater im Himmel als Gegenüber beten?
Nun, da passte einiges gedanklich nicht zusammen. Aber die ersten Christen bauten da kein Lehrgebäude drum herum, sondern sie ließen das, was sie erfahren hatten, einfach stehen: Wir haben Jesus Christus wirklich als unseren Herrn und Gott erfahren. Und dann kam etwas Zweites noch hinzu:
5. Gott, der Heilige Geist
Die Zeit der Begegnungen mit Jesus als dem Auferstandenen war begrenzt. 40 Tage, von Ostern bis Himmelfahrt. Jesus selbst kündete es so an: "Ich werde von euch gehen, aber ich werde euch meinen Geist senden." Darüber haben wir letzte Woche nachgedacht. An Pfingsten hatten die Jüngerinnen und Jünger Jesu ihr Urerlebnis mit diesem Heiligen Geist, der ja nichts anderes war und ist als Jesu geistliche Gegenwart unter uns und in uns.
Die ersten Christen erlebten seit dem Pfingstfest immer eindrücklicher, wie dieser Geist unter ihnen und durch sie wirkte. Der Glaube an Jesus Christus verbreitete sich wie ein Lauffeuer innerhalb von wenigen Jahrzehnten um die halbe Erde. Auch wenn Jesus nicht mehr in physischer/körperlicher Weise da war, wurden unzählige Menschen nun scharenweise zu seinen Nachfolgerinnen und Nachfolgern. Warum? Weil der Heilige Geist, den Jesus verheißen hatte, überall wirkte und die Menschen in die versöhnte Gemeinschaft mit Gott rief. Und weil die Christen in ihrem Leben das Wirken dieses Geistes konkret erlebten, und zwar auch in sich - als Kraft, die sie zu einem neuen Lebensentwurf befähigte.
Gott in Aktion, Jesus weiterhin in Aktion - so könnte man auch knapp umschreiben, wer und was der Heilige Geist ist. Der Heilige Geist ist Gott selbst.
6. Der eine Gott in drei Beziehungsformen
Was haben wir bisher festgehalten über die Trinität:
Das erste: Gott ist der eine und er lässt sich nicht wie ein Puzzle zerteilen.
Das zweite: Der eine Gott hat sich auf verschiedene Weise offenbart: Zunächst als Schöpfer des Himmels und der Erde. Dann in Jesus Christus, dem Sohn Gottes, dem gekreuzigten und auferstandenen Erlöser. Und schließlich im Heiligen Geist, durch den Jesus selbst unter uns und in uns weiterwirkt.
Doch das sind nicht drei Götter, sondern es ist der eine Gott, der in seiner Liebe für uns da ist: Als Schöpfer, als Erlöser und in seiner Geistkraft.
Aber wir dürfen auch das dritte nicht vergessen: Jesus betete zu seinem Vater, als er auf der Erde war. Gott, der Vater und Gott, der Sohn, sind also irgendwie nicht identisch. Und auch vom Heiligen Geist heißt es in der Bibel: "Dass der Vater den Geist auf Bitten des Sohnes aussendet." Also ist der Heilige Geist irgendwie auch eine eigene Identität.
Und so müssen wir einfach zwei Widersprüche aushalten in dem, was uns die Bibel über Gott erzählt:
Gott-Vater ist nicht gleich Gott-Sohn und Gott-Sohn ist nicht gleich Gott, der Heilige Geist.
Und zum anderen sind das aber auch nicht drei verschiedene Götter, sondern es ist der eine Gott, der sich auf verschiedene Weise unter uns offenbart hat.
Ich persönlich spreche am liebsten von dieser Dreiheit als von den drei Beziehungsformen Gottes. Gott ist Liebe. Und in seiner Liebe handelt er an uns Menschen in drei grundlegenden Beziehungsformen: Als Schöpfer und Erhalter des Lebens, als unser Vater im Himmel. Aber auch als Erlöser Jesus Christus, in dem er uns mit sich versöhnt und uns den Weg zum ewigen Leben eröffnet. Und schließlich als Heiligem Geist, der hier und heute an uns und in uns wirkt und uns zu einem heiligen Leben befähigt.
7. Lasst uns IHN anbeten
Alles bisher Gesagte war jetzt sehr theoretisch gewesen. Viel Nachdenken über etwas, was wir eigentlich nicht fassen können. Doch das Ziel dieses Nachdenkens ist für mich nicht das Begreifen Gottes, sondern das Anbeten Gottes.
Staunend und dankbar nehme ich wahr, dass Gott in seiner Liebe von Anbeginn für uns da war. Er hat diese wunderbare Welt konzipiert und geschaffen. Wir Menschen haben ihn aber bitter enttäuscht, weil wir uns als seine Ebenbilder von ihm abgewandt haben und in Unfrieden miteinander und mit seiner Schöpfung leben. Doch Gott überbrückte diesen Graben zwischen uns und ihm durch seinen Sohn Jesus Christus. Am Kreuz sprach er ein Ja zu jedem von uns, das für alle Zeit trotz aller Schuld als sein einseitiges Friedensangebot stehen bleibt. Jesus war wahrer Mensch, aber zugleich auch wahrer Gott, das wurde endgültig durch seine Auferstehung klar. Und schließlich schenkt uns Gott in seiner Liebe seinen Heiligen Geist. Wir bekommen die unglaubliche Würde, dass wir ein Tempel seines Heiligen Geistes sein dürfen. Er möchte uns zu einem neuen Leben befähigen - in Gemeinschaft und Liebe zu Gott und zu den Mitmenschen.
Der dreieinige Gott hat alles für uns getan, wir dürfen seine Liebe in Anspruch nehmen und Frieden, Heilung und Heiligung erleben. Wir loben ihn für seine wunderbare Herrlichkeit als Schöpfer, Sohn und Heiliger Geist.
Amen
Apostolisches Glaubensbekenntnis
Ich glaube an Gott
den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus,
seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn,
empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben,
hinabgestiegen in das Reich des Todes,
am dritten Tage auferstanden von den Toten,
aufgefahren in den Himmel;
er sitzt zur Rechten Gottes,
des allmächtigen Vaters;
von dort wird er kommen,
zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die heilige christliche Kirche,
Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten
und das ewige Leben.
Amen.
GEBET
Meine Hoffnung ist der Vater,
meine Zuflucht ist der Sohn,
mein Obdach ist der Heilige Geist.
Heilige Dreifaltigkeit, Ehre sei Dir!
Amen.
Gebet aus einer orthodoxen Liturgie