Text der Predigt am Sonntag, den 9. August
09.08.2020
PREDIGT zu Jeremia 1, 4-10
4 Und des HERRN Wort geschah zu mir: 5 Ich kannte dich, ehe ich dich im Mutterleibe bereitete, und sonderte dich aus, ehe du von der Mutter geboren wurdest, und bestellte dich zum Propheten für die Völker. 6 Ich aber sprach: Ach, Herr HERR, ich tauge nicht zu predigen; denn ich bin zu jung. 7 Der HERR sprach aber zu mir: Sage nicht: »Ich bin zu jung«, sondern du sollst gehen, wohin ich dich sende, und predigen alles, was ich dir gebiete. 8 Fürchte dich nicht vor ihnen; denn ich bin bei dir und will dich erretten, spricht der HERR. 9 Und der HERR streckte seine Hand aus und rührte meinen Mund an und sprach zu mir: Siehe, ich lege meine Worte in deinen Mund. 10 Siehe, ich setze dich heute über Völker und Königreiche, dass du ausreißen und einreißen, zerstören und verderben sollst und bauen und pflanzen.
Liebe Gemeinde,
da steht der kleine Junge auf dem Startblock des großen Schwimmbeckens und zittert. Vom Wasser aus ruft ihm die Mama zu: "Spring doch, Max, du schaffst das!" Aber der Junge springt nicht. Er zittert noch mehr. Macht einen zweiten Versuch und rudert wild mit den Armen, aber springt wieder nicht. Endlich dreht er sich mutig rum und steigt vom Startblock. "Ich will heim, Mama, ich friere!" Auf seiner hellblauen Badehose ist vorne ein großes rot-gelbes S für Supermann drauf. Man weiß nicht so richtig, ob sich dieser Junge diese Helden-Badehose selbst gewünscht hat oder doch eher die Mama, die beim Elternabend immer stolz erzählt, was ihr Max schon alles kann. Na ja, die Supermann-Badehose hat leider wenig geholfen. Nicht überall, wo "Supermann" drauf steht, ist eben auch "Supermann" drin. Manchmal ist es nur ein kleiner Junge, der verständlicherweise Angst hat, ins tiefe Wasser zu springen.
Jeremia war gewiss kein Supermann gewesen. Aber er musste in jungen Jahren einen unendlich mal höheren Sprung wagen als den von einem Ein-Meter-Brett. Was Gott ihm da zumutete, als er ihn zu seinem Propheten berief, das glich eher ein Fallschirmsprung aus 10.000m Höhe ohne zu wissen, ob das Paket auf seinem Rücken wirklich ein Fallschirm ist.
Im Namen Gottes sollte Jeremia den Mächtigen seines Volkes die Leviten lesen. "Geh hin und predige ihnen alles, was ich dir sagen werde. Ich setze dich heute über Völker und Königreiche, dass du ausreißen und einreißen, zerstören und verderben sollst und bauen und pflanzen."
Jeremia war noch jung, als ihn dieses Gotteswort aus seinem gemütlichen Priestersohndasein herausrief. Er war jung, aber nicht blöd und er wusste, dass das ein Himmelfahrtskommando sein könnte, auf das ihn Gott da schickte.
Wenn ein junger Hongkonger Demos gegen die chinesische Regierung organisiert, dann ist er sich darüber bewusst, in was für eine Gefahr er sich damit begibt. Ebenso ein Christ, der sich in Nordkorea zu seinem Glauben bekennt.
Den Jeremia führte seine göttliche Mission auf einen sehr leidvollen Weg. Kaum ein Prophet hat so gelitten unter seinem Amt, Gottes Wort offen und frei den Menschen zu sagen. Er hat es getan in schwierigster Zeit, in einer Zeit der nationalen Krise, eine Zeit der Bedrohung und der Verschleppung des Volkes Israel nach Babylon. Er wurde für seine unangenehme Botschaften angefeindet, gefangengenommen, gefoltert. Körperlich und psychisch war er oft am Ende. Er verzweifelte immer wieder fast an seinem Auftrag.
Das alles sah er natürlich am Tag seiner Berufung noch nicht so genau voraus. Aber er konnte bestimmt damals schon einschätzen, was diese Berufung für ihn bedeuten könnte.
Trotzdem wagte er den Sprung - ganz ohne Supermann-Dress. Was befähigte ihn dazu? Was gab ihm den Mut und die Kraft, diesen Weg einzuschlagen und konsequent zu gehen? Unser Predigttext gibt die Antwort. Es war der lebendige Gott höchstpersönlich, der ihn in diese Aufgabe hineinrief. Und es waren diese Worte und Zusagen, die Gott ihm mit auf den Weg gab. Ich will sie mal in drei Versprechen zusammenfassen, die ihm zum Sprung ins tiefe Wasser befähigten
1. Jeremia, ich kenne dich.
2. Jeremia, ich brauche dich
3. Jeremia, ich befähige dich
1. Ich kenne dich
V. 5 Ich kannte dich, ehe ich dich im Mutterleibe bereitete, und sonderte dich aus, ehe du von der Mutter geboren wurdest, und bestellte dich zum Propheten für die Völker.
Das ist eine atemberaubende Botschaft, die Gott dem Jeremia offenbarte. Gott machte ihm deutlich, dass er gewissermaßen schon den Entwurf von Jeremias Persönlichkeit vor sich gesehen hatte, bevor der geboren wurde. Gott hat als der Ewige und Allwissende ihn schon damals in seinem Wesen genau gekannt, bevor er Fleisch und Blut wurde. Gott wusste da schon um seinen Charakter, seine Stärken und seine Schwächen, seine Vorlieben und Abneigungen, seine Möglichkeiten und Grenzen. Und aus dieser Kenntnis heraus entschied Gott, dass Jeremia genau der Richtige für diese Aufgabe ist.
"Ich kannte dich" - die Bibelausleger sagen, dass dieser Begriff vom hebräischen Urtext her vor allem als ein "Ich erwählte dich" zu hören ist.
Da gibt es überall in den Fußballvereinen diese sogenannten "Scouts". Sie suchen im ganzen Land unter dem Fußballernachwuchs nach geeigneten Talenten für ihre Mannschaft. Sie haben einen Blick für das Potenzial, das in so einem jungen Spieler steckt. Und genau so hat Gott gewissermaßen schon vor der Geburt das Potenzial von Jeremia gesehen und entschieden: Der ist genau der Richtige, der soll mein Prophet sein in dieser bewegenden Zeit des Zusammenbruchs und Umbruchs meines Volkes.
Jeremia war noch jung und unfertig, als Gott ihn berief. Er wusste noch wenig über sich und seine Möglichkeiten und Grenzen. Doch Gott kannte ihn zum Zeitpunkt seiner Berufung besser. Und deshalb traute Gott ihm auch voll und ganz diese Herausforderung zu. Auch wenn Jeremia es sich selbst nicht zutraute. "Ich kenne dich ganz genau und weiß, was in dir steckt" - das war die erste Zusage, die Jeremia zum großen Sprung befähigen sollte. Er musste Gott, seinem Schöpfer, nur vertrauen - der weiß, was er tut.
Übrigens gilt diese Zusage nicht nur Jeremia. Sie gilt auch dir und mir. Wenn Gott uns in eine Aufgabe hineinruft, dann weiß er besser als wir selbst, warum er das tut.
Als ich als 19-jähriger von Gott den Ruf hörte, Pastor zu werden, war das für mich ein total verrückte Sache. Ich war schüchtern, lief rot an, wenn ich mal etwas in einer größeren Gruppe sagen musste. Und ich hasste es, irgendwo im Mittelpunkt zu stehen. Wie kann Gott ausgerechnet mich für so eine Aufgabe gebrauchen? Ich traute mir das nicht zu. Aber Gott kannte mich besser und ließ nicht locker. Übrigens war es dann eine Predigt von Pastor Günter Hartmann über unseren heutigen Predigttext, die mich endgültig überzeugte, mich auf diesen Weg einzulassen.
Kann es sein, dass Gott auch dich in eine bestimmte Aufgabe oder Herausforderung hineinrufen möchte? Kann es sein, dass du immer wieder unruhig wirst, wenn du an diese Sache denkst und dich der Gedanke einfach nicht loslässt, dass du da gebraucht wirst?
Vielleicht ist es Gott, der da bei dir anklopft. Vielleicht ist es Gott, dessen Plan es schon immer gewesen war, dich für diese Sache zu gewinnen? Weil er dich kennt, weil er weiß, dass du genau der Richtige bist.
Sag nicht "Ich bin zu jung", sag auch nicht "ich bin zu alt". Oder "ich kann das nicht". Oder "Andere können das besser." Gott weiß, warum er bei dir anklopft. Denn er kennt dich - besser als du dich selbst.
2. Jeremia, ich brauche dich
V.7 "Der HERR sprach zu mir: Sage nicht: »Ich bin zu jung«, sondern du sollst gehen, wohin ich dich sende, und predigen alles, was ich dir gebiete."
Gott brauchte den Jeremia - und zwar dringend. Er brauchte jemanden, der fähig war, auf Gott zu hören und der die Aufrichtigkeit und den Mut hatte, auch das weiterzusagen, was er von Gott gehört hat. Es gab schon genug Propheten, die nur dem Volk und den Mächtigen vorplapperten, was diese hören wollten.
Jeremia sollte da hin gehen, wohin Gott ihn senden würde und das predigen, was Gott ihm sagen würde. Das kann nur einer, der hören kann, was Gott will. Und genau so einer war Jeremia. Er war ein hörender Prophet, ein Beter, der sein Herz und sein Ohr ganz nah bei Gott hatte, der auf ihn mehr hörte als auf das Geschwätz der Leute und den Lärm dieser Welt. Und genau darin machte Jeremia einen Unterschied.
"Jeremia, ich brauche dich! Genau dich!" Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn sich Jeremia der Berufung verweigert hätte. Nicht auszudenken, wenn Gott nicht dieses Sprachrohr gehabt hätte, durch das er ungefiltert zu den Menschen sprechen konnte. Jeremias Verkündigung machte einen echten Unterschied in seiner Zeit.
Wo bist du es vielleicht, der einen Unterschied machen kann in deinem Umfeld? In deiner Familie, in deinem Freundeskreis, in deiner Gemeinde? Es ist nicht egal, ob du Ja oder Nein sagst zu dieser Aufgabe, für die Gott dich gebrauchen möchte. Denn du bist nicht ersetzbar, Gott braucht ausgerechnet dich.
3. Jeremia, ich befähige dich
V.6 Jeremia aber sprach: Ach, Herr HERR, ich tauge nicht zu predigen; denn ich bin zu jung.
So ist das bei vielen Menschen, die Gott in eine Aufgabe ruft: Sie sehen erst einmal ihre Defizite. Und das ist auch gut so. Denn das lehrt uns den Blick nach oben. Das lehrt uns, dass wir von Gottes Segen abhängig sind. Es ist gut, wenn wir uns dessen bewusst sind, wie wenig wir in Gottes Reich "machen" können. Das bewahrt uns vor Hochmut und Scheitern, denn einem demütigen Herzen schenkt Gott seine Gnade.
Doch soll uns andrerseits das Bewusstsein unserer Defizite nicht davon abhalten, dem Ruf Gottes zu folgen. Leere Hände und begrenzte Möglichkeiten können manchmal ein berechtigter Grund sein, ein Aufgabe nicht zu wagen, aber manchmal will uns Gott durch unsere Defizite genau zum Gegenteil bewegen: Es erst recht zu wagen und die leeren Hände ihm entgegenzustrecken und zu vertrauen, dass er diese füllen wird.
Es ist erstaunlich, was dann manchmal passieren kann, wenn Menschen in Gottes Namen den Sprung ins kalte Wasser wagen. Plötzlich entdecken sie Fähigkeiten und Möglichkeiten, die sie bisher gar nicht kannten. Und sie beginnen, an der Herausforderung zu wachsen. Und sie erleben Gott live. Den erlebt man weniger zuhause im gemütlichen Fernsehsessel, sondern oft erst dann, wenn man sich mit Herzklopfen und einem "Jesus hilf" an eine Aufgabe wagt. Dann erleben wir das, was Gott dem Jeremia versprochen hat und was er lebenslang erfahren durfte: V. 8 Fürchte dich nicht vor ihnen; denn ich bin bei dir und will dich erretten, spricht der HERR.
Das war die entscheidende Zusage gewesen, die Jeremia befähigte, sich auf diesen herausfordernden Weg zu machen. Gott selbst hatte ihm versprochen, dass er in allem, was auf ihn zukommen mag, mit ihm sein wird. Dieses Wort, dass "Gott mit uns ist" kommt uns heutzutage recht leicht über unsere Lippen. So als wäre das eine Selbstverständlichkeit. So, als wäre das fast eine Banalität. Aber stell dir vor, dass Gott höchstpersönlich so wie Jeremia dir erscheint und dir verspricht: Ich bin mit dir.
Und Gott konkretisierte dieses "Ich bin mit dir" auch noch, indem er ihn mit dem Entscheidenden befähigte, was er für seine Aufgabe brauchte:
V. 9 Und der HERR streckte seine Hand aus und rührte meinen Mund an und sprach zu mir: Siehe, ich lege meine Worte in deinen Mund.
Ein Prophet hat nichts anderes als sein Wort. Er hat keine Druckmittel, keine Geheimmethoden, Wundermittel und Waffen. Er muss überzeugen durch das Wort. Gott rührte Jeremias Mund an und sprach zu ihm: "Ich lege meine Worte in deinen Mund." Das waren nicht irgendwelche Worte, die Gott ihm da gab, sondern das war Gottes Wort. Nichts ist mächtiger als Gottes Wort. Durch sein Wort rief Gott die Schöpfung ins Leben. Gott sprach: Es werde. Und es wurde. Und es ist etwas Gewaltiges und Wirkmächtiges, wenn Gott seine Worte in Jeremias Mund legt.
Wenn ich eine Predigt vorbereite, dann formuliere ich Gedanken und Worte, die dann schließlich im Computer oder auf einem ausgedruckten Blatt Papier stehen. Aber es sind dann eigentlich nur meine Worte, Clemensworte, Menschenworte. Aber ich bete darum, dass Gott durch seinen Heiligen Geist dann diese meine Worte zu seinen Worten macht, dass Gott meine Worte in den Gedanken und Herzen der Menschen zu seinen Worten umwandelt. Also: Dass sie Gott hören und nicht mich. Ehrlich gesagt würde ich ab heute sofort mit dem Predigen aufhören, wenn es nicht diese Verheißung gäbe, dass Gott es immer wieder bewirken möchte, dass meine Worte zu Transportmitteln für sein Wort werden.
"Ich befähige dich" - das war das Versprechen, das Gott dem Jeremia gab. Nicht du musst diese Aufgabe allein stemmen, mein Prophet zu sein, sondern ich werde mit dir sein und ich werde meine Worte in deinen Mund legen. Fürchte dich nicht.
Jeremia hat den Sprung aus 10.000m Höhe gewagt. Sein Fallschirm waren die drei Versprechen Gottes. Er hat erstens verstanden, dass Gott ihn besser kennt als er selbst und weiß, warum er ihn beruft. Und er hat zweitens verstanden, dass Gott ausgerechnet ihn für diese Herausforderung braucht. Und er hat schließlich drittens verstanden, dass Gottes Macht höchstpersönlich hinter ihm stehen wird.
Kann es sein, dass diese Zusagen auch dir gelten für die Aufgabe, in die Gott dich rufen möchte? Dann höre auch du, wie Gott zu dir spricht: Ich kenne dich und ich brauche dich und ich befähige dich.
Amen