Text der Predigt am Sonntag, den 11. Oktober

11.10.2020

PREDIGT zu den neuen Antependien am Abendmahlstisch und der Kanzel

Altar mit den Antependien, Pastor Klingel predigtLiebe Gemeinde,

ich will heute etwas Ungewöhnliches tun. Ich predige nicht über einen Bibeltext, sondern ich möchte Gedanken zu unseren neuen Antependien weitergeben. Manche denken jetzt vielleicht: Was ist denn das, Antependien? Naja, Antependium klingt hochtrabend, aber wenn man es aus dem Lateinischen übersetzt, so ist es ganz einfach ein Vorhang. Ante-vor, pendere-hängen. Es geht also um die Vorhänge an unserem Abendmahlstisch und an der Kanzel. Leider hatte ein Set unserer alten, über Jahrzehnte bewährten Antependien einen solchen Wasserschaden bekommen, dass ihn keine Reinigung mehr entfernen konnte. Und der Anblick der beschädigten Behänge hatte Anne-Katrin Krogmann lange Zeit richtig in der Seele wehgetan. Denn für sie sollte alles in einem Gotteshaus vom Schönsten sein. Und darum hat sie sich einfach hingesetzt und zu nähen angefangen. Eigentlich sollte es nur ein Entwurf werden, aber das Thema hat sie dann so gepackt, dass sie nicht mehr aufhören konnte zu nähen bis die Behänge fertig waren. Für sie war dieser Prozess so etwas wie eine Glaubenserfahrung gewesen. Sie konnte darin ausdrücken, was sie mit Gott erlebt.

Und nun wollen wir diese Antependien betrachten. Es geht bei einem Antependium immer um Symbolik. Symbole, die für bestimmte christliche Inhalte stehen. Sie sind auch Verkündigung. Beim Essen sprechen wir davon, dass das Auge mitisst. Und das gilt auch übertragen für die christliche Botschaft. Sie soll nicht nur gesprochenes Wort sein, sondern sie wird lebendiger und kraftvoller durch Bilder und Symbolik.

Antependium am AltartischSchauen wir uns nun die Symbolik unserer Antependien näher an. Da ist zuerst der Behang an unserem Abendmahlstisch.

Von links nach rechts betrachtet, sehen wir dort zunächst den Weinstock. Seine Symbolik stammt von dem Jesuswort: "Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht. Ohne mich könnt ihr nichts tun." (Joh.15) Das Geheimnis eines fruchtbaren christlichen Lebens liegt nicht darin, dass wir uns mächtig fromm anstrengen und alles perfekt und richtig machen, sondern darin, dass wir in einer engen Verbindung mit Jesus Christus leben - daran erinnert uns diese Symbolik - in einer engen Verbindung mit Jesus Christus leben, das ist das Wichtigste.

Zugleich lenkt dieser Weinstock unsere Gedanken auf die Feier des Abendmahls. Wenn wir die Frucht des Weinstocks, also den Wein - oder bei uns den unvergorenen Traubensaft - aus dem Abendmahlskelch trinken, dann erinnern wir uns daran, dass Jesus Christus sein Blut für uns vergossen hat und darin von Gottes Seite her alles weggenommen hat, was uns von ihm trennt.

Übrigens sehen wir auf der rechten Seite des Antependiums dann die drei Ähren, die in ihrer Symbolik auch auf das Abendmahl hinweisen. Aus dem Weizen wird das Brot hergestellt, das wir beim Abendmahl brechen in Erinnerung daran, dass Christi Leib für uns gebrochen wurde. Er hat sein Leben für uns dahingegeben.

So erinnern uns also beide Symbole, der Weinstock und die Ähren an das Abendmahl. Wir dürfen darin die Zuwendung Jesu Christi empfangen und wir werden durch den Weinstock noch daran erinnert, wie wichtig es ist, grundsätzlich in einer engen Verbindung mit ihm zu leben.

Gehen wir nun aber in der Symbolik nach rechts weiter. Und da sehen wir den Hirtenstab. Ich glaube, ich habe noch nie auf einem Antependium dieses Symbol gesehen. Aber es scheint Anne-Katrin sehr wichtig gewesen zu sein, denn wir sehen diesen Hirtenstab genau in der Mitte ihres Antependiums. Ich vermute, dass sie das in ihrem Glauben sehr stark erlebt, wofür dieser Hirtenstab steht. Wofür aber?

Den meisten von uns ist der Psalm 23 recht vertraut. Dort lernen wir Gott kennen als den guten Hirten, der uns durchs Leben in seinem Auf und Ab begleitet. Im Zentrum der Satz: "Dein Stecken und Stab trösten mich." Als Kind habe ich mich gefragt: Wie kann denn der Hirte wohl mit seinem Stock die Schafe trösten? Heute weiß ich mehr darüber. Ich habe mich nämlich über die traditionelle Funktion eines Hirtenstabes informiert. 3 Funktionen scheinen dabei zentral zu sein:

Erstens: Der Schutz.
Der Hirtenstab diente dem Hirten zur Abwehr wilder Tiere. Vorne ist er spitz zugeschnitten, oft sogar mit einer metallischen Spitze versehen. Damit war er eine effektive Verteidigungswaffe, wenn wilde Tiere die Herde angriffen. Und das ist ja wirklich ein Trost für ein wehrloses Tier, wenn der Hirtenstab den Wolf verjagt, dem es sonst hilflos ausgeliefert gewesen wäre.
Als Glaubende erfahren wir auch vielfältige Angriffe, von außen und von innen. In 1.Petrus 5,8 heißt es: "Seid nüchtern und wach, denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge." Und diese Gefährdung erleben wir nicht nur als Einzelne, sondern auch als Herde, als ganze Gemeinde. Wir sind in unserer Gemeinschaft immer wieder gefährlichen Angriffen ausgesetzt. Von außen und von innen. Aber wir haben einen Hirten, der uns verteidigt und in dessen Schutz wir uns dann fliehen sollen.

Zweite Funktion des Hirtenstabs: Leitung und Zusammenhalt.
Oben hat der Stock eine halbrunde Krümmung. Ein guter Hirte kann damit wunderbar seine Schafe lenken und führen, indem er die Fläche der Krümmung sanft gegen ihre Flanke drückt. Das tut er z.B., wenn er die Schafe durch das enge Tor in das Schutzgatter treibt.
Der Hirte kann aber mit dieser Krümmung am Stab auch Tiere am Bein einfangen, wenn sie ausbrechen wollen und sie in die Herde zurückführen. Leitung und Zusammenhalt, dazu befähigt ihn sein Stab.
Beides brauchen wir als Gemeinde auch ganz dringend. Leitung und Zusammenhalt. Eine Schafherde hat von selbst nie die Peilung, wo es hingehen soll, sie finden nicht von sich aus die besten Weiden und laufen gerne dorthin, wo gefährliches Gelände ist. Auch als Gemeinde begeben wir uns manchmal auf gefährliches Gelände, wenn wir zu wenig auf die Leitung unseres Herrn hören. Frieden, Segen und Zusammenhalt finden wir aber dort, wo wir uns demütig vom guten Hirten leiten lassen.

Drittens: Aufhelfen
Übrigens habe ich dann schließlich auch noch etwas darüber gelesen, dass die Krümmung des Hirtenstabs noch eine weitere Funktion hat. Ein geschickter Hirte kann damit einem neugeborenen Lämmlein sanft auf die Beine helfen und es der Mutter zuführen. Berühren sollte der Hirte das Lämmlein mit dem Geruch seiner Hände auf keinen Fall, es könnte dann vom Muttertier verstoßen werden. Und darum bedient er sich bei dieser sanften Geburtshilfe seines Hirtenstabs.
Vielleicht ist das ein schönes Bild dafür, dass der gute Hirte Jesus Christus immer wieder Menschen wie Neugeborene dem Glauben zuführen möchte. Sanft hilft er ihnen auf den Weg zum Glauben und geduldig befähigt er sie, immer mehr glaubensmäßig auf eigenen Beinen zu stehen.
Ja, und überhaupt: Grundsätzlich ist es Jesus Christus schon immer ein zentrales Anliegen gewesen, Menschen wieder auf die Beine zu helfen, die gefallen sind.

Und da komme ich jetzt auch noch einmal auf die 3 Ähren auf unserem Antependium zu sprechen. Habt Ihr es gesehen? Die rechte Ähre ist abgeknickt. Sie erinnert uns an die Zusage Gottes in Jesaja 42,3: "Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen." Es ist Gott ein zentrales Anliegen, den Gefallenen wieder auf die Beine zu helfen. Das hat er uns besonders deutlich gezeigt durch Jesus Christus. Dessen Herz brannte für die vom Leben Geknickten. Er half ihnen wieder liebevoll auf die Beine und eröffnete ihnen neue Lebensperspektiven.

Nun haben wir Weinstock, Hirtenstab und die Ähren betrachtet. Sie weisen jeweils auf verschiedene Aspekte des Handelns Gottes hin, das er uns in seinem Sohn Jesus Christus am deutlichsten vor Augen geführt hat: Jesus hat gesagt: Ich bin der Weinstock. Und er hat gesagt: Ich bin der gute Hirte. Und er hat gesagt: Ich bin das Brot des Lebens. Und deshalb ist das vierte Symbol unseres Antependiums, das Kreuz, das Symbol, das dies alles zusammen fasst. Es ist nicht deshalb schräg dargestellt, weil es umgefallen wäre, sondern weil es praktisch so etwas wie den Schatten dessen bildet, wofür die Symbole Weinstock und Hirtenstab stehen. Im Kreuz bildet sich schließlich wie eine Zusammenfassung alles ab, was uns in Bezug auf den Weinstock und den Hirtenstab deutlich geworden ist. So ist jedenfalls meine Deutung dieser Symbolik.

Mit dem Stichwort Kreuz will ich jetzt aber auch direkt überblenden zum Antependium an unserer Kanzel.

Antependium an der KanzelDas Kreuz steht hier absolut im Mittelpunkt. Darunter eine Bibel. Das Wort Gottes ist auf allen Kanzelantependien natürlich die zentrale Symbolik. Hier, auf der Kanzel, soll das Wort Gottes verkündet werden. Hier soll die Bibel ausgelegt und ihre Aussagen in die heutige Zeit hineingesprochen werden. Was mir auf unserem Antependium aber am meisten gefällt, ist, dass aus dieser Bibel heraus das Kreuz nach oben ragt.
Das sagt mir: Das Zentrum des Wortes Gottes ist das Kreuz Jesu Christi. Wir können das Wort Gottes nur richtig verstehen, wenn wir es von Jesus Christus her und zu Jesus Christus hin auslegen. Es gibt eine falsche Verkündigung, die nicht auf dieser Kanzel geschehen sollte. Es ist die Gesetzesverkündigung. Wenn Worte vereinzelt aus der Bibel herausgepickt und zusammenhanglos als Wahrheit dargestellt werden. Fundamentalisten fühlen sich dabei besonders fromm und gottesfürchtig, weil sie jedes Wort der Bibel als unfehlbar halten. Aber sie vergessen dabei oft das Entscheidende, das jedes Bibelwort nur im Licht des Evangeliums von Jesus Christus richtig verstanden werden kann. Und diese gute Botschaft von Jesus Christus ist für uns auch der Maßstab für jede Bibelauslegung. Das Evangelium macht uns klar, dass wir unser Heil nicht im Gesetz oder in unserer Ethik oder in unseren Bekenntnissen finden, sondern das Heil und den Frieden finden wir allein in dem, was Jesus Christus am Kreuz auf Golgatha für uns getan hat. Die Erlösung ist dort schon geschehen, wir müssen sie uns nicht mehr erarbeiten, wir dürfen sie einfach nur für uns in Anspruch nehmen, immer und immer wieder. Lasst uns auf dieser Kanzel niemals Gesetzlichkeit und Selbstgerechtigkeit verkünden, sondern im Zentrum immer die Liebe, die sich in Jesus Christus offenbart hat.

Diese Liebe steht am Anfang von allem und sie wird auch am Ende von allem stehen. A und O, Alpha und Omega sind deshalb die beiden Symbole, die links und rechts des Kreuzes stehen. Sie erinnern uns an die Worte Jesu auf der letzten Seite der Bibel, in der Offenbarung. Worte des siegreich auferstandenen Christus, der am Ende aller Zeiten sprechen wird: "Ich bin das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende." Offenbarung 22,13 Damit ist eigentlich alles zusammengefasst, was uns die Bibel Alten und Neuen Testament klar machen will: Jesus Christus ist die Mitte - der Ursprung und das Ziel unseres Lebens und zugleich der Lebenssinn dazwischen.

Nun aber schließlich zum letzten Symbol, das mir auch noch recht wichtig ist: Unter der Bibel, die als Symbol für die Verkündigung des Wortes Gottes steht, finden wir dann noch einen Abendmahlskelch, der von Blättern des Weinstocks umrankt ist.
Zum einen schafft diese Symbolik eine Verbindung zum Antependium am Abendmahlstisch.
Zum anderen steht sie aber für mich auch bewusst für das Stichwort "Christliche Gemeinschaft". Das Gemeinsame Trinken aus dem Abendmahlskelch ist für mich der stärkste Ausdruck christlicher Gemeinschaft. Gemeinschaft mit Christus, Gemeinschaft untereinander. Nun befindet sich aber dieser Gemeinschaftkelch direkt unter der Bibel. Und das sagt mir folgendes: Verkündigung geschieht nicht nur durch Worte und Predigten, sondern Verkündigung geschieht auch durch unser Leben und vor allem auch durch die Gemeinschaft, die wir in der christlichen Gemeinde erfahren. Das Evangelium will nicht nur gehört, sondern auch erlebt werden. Und wenn wir z.B. vor Corona nach jedem Gottesdienst fröhliche Gemeinschaft beim Kirchenkaffee erfahren hatten, dann war das auch lebendig gewordenes Evangelium. Und jetzt fehlt uns das uns schmerzlich. Das empfinden die meisten von uns jedenfalls so. Aber gerade dieses Fehlen zeigt uns, wie sehr wir die Gemeinschaft, das Zusammenkommen, das Leben-Teilen für unseren Glauben brauchen.

Mir gefällt dieser Gemeinschaftkelch auf dem Kanzelantependium, hinter dem ich meistens predige. Es entlastet mich, weil ich weiß, meine Verkündigung ist nur das halbe Evangelium, die andere Hälfte geschieht durch Euch und durch die Gemeinschaft in der Gemeinde und dafür ist jeder von uns mitverantwortlich.

Das waren meine Gedanken zu unseren neuen Antependien. Es waren nur Anregungen. Vielleicht seht ihr darin noch viel mehr oder ganz anderes. Gerne können wir darüber ins Gespräch kommen. Und ich glaube, Anne-Katrin macht das sicherlich auch sehr gerne. Möge uns die Symbolik immer wieder helfen, unsere Gedanken und Herzen auf den auszurichten, um den es in allem geht: Jesus Christus. Amen

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