Text der Predigt am 7. März 2021
Predigt zu Epheser 5, 1.2.8.9
1 So ahmt nun Gott nach als geliebte Kinder 2 und wandelt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch.
8 Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Wandelt als Kinder des Lichts; 9 die Frucht des Lichts aber ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.
Liebe Gemeinde,
es ist mir zu einer lieben Gewohnheit geworden, abends vor dem Schlafengehen noch eine Runde spazieren zu gehen. Dabei führt mich mein Weg in die Wallauer Felder. Ich liebe es, durch die Nacht zu laufen und in den Nachthimmel zu schauen. Und wenn man das praktisch jeden Tag macht, wird einem bewusst, dass Nacht nicht gleich Nacht und Dunkelheit nicht gleich Dunkelheit ist. In manchen klaren Vollmondnächten ist es draußen auf den Feldern fast so hell wie tagsüber an einem ganz trüben Novembertag. Und in manchen Nächten kann man wiederum fast die Hand nicht vor den Augen sehen. Jede Nacht hat eigentlich ihren eigenen Grad der Dunkelheit.
An diese Erfahrung musste ich denken, als ich unseren Predigttext bei der Vorbereitung zum ersten Mal las. Da ist dieses Gegensatzpaar: Licht und Finsternis. Und gefühlsmäßig bildet sich in mir dabei sofort daneben das Gegensatzpaar: gut und böse. Es gibt das Licht und es gibt die Finsternis. Und es gibt die im Licht leben, also die Guten, und es gibt die in der Finsternis sitzen, also die Bösen. Aber ehrlich gesagt kann ich mit diesem Schwarz-Weiß-Denken immer weniger anfangen. Es gibt in der Realität eben nicht das Licht und die Finsternis Und es gibt auch nicht die Guten und die Bösen. Es gibt nach meiner Erfahrung vielmehr Abstufungen zwischen den Extremen, Graustufen zwischen Schwarz und Weiß. Dunkelheit ist nicht gleich Dunkelheit. Und das gilt auch für das Licht. Jeder Tag hat ein andere Lichtintensität. An manchen Tagen ist es trüb und fast dämmrig. An anderen Tagen braucht man eine Sonnenbrille, um nicht ständig die Augen zukneifen zu müssen vor Helligkeit.
Und ähnlich geht es mir auch im Erleben der Menschen. Ich kann sie einfach immer weniger in gut und böse, richtig und falsch einteilen. Denn ich sehe, dass in jedem Menschen, auch in dem noch so gut Erscheinenden, auch problematische und dunkle Anteile sind. Und das gilt auch umgekehrt: Auch in den scheinbar Bösen und Schlechten können wir helle und liebenswerte Züge finden. Dunkel ist nicht gleich Dunkel und Licht ist nicht gleich Licht. Die Realität stellt sich vielmehr in vielen Abstufungen zwischen Licht und Dunkel dar
Allerdings lebt unser heutiger Predigttext stark von diesem Gegensatzpaar: Licht und Finsternis. Paulus schreibt der Gemeinde "Früher wart ihr Finsternis, jetzt seid ihr Kinder des Lichts."
Ist also mein Denken in Abstufungen in Bezug auf unser Verhältnis zu Gott unbiblisch? Wäre ein Schwarz-Weiß-Denken richtiger? Was sind überhaupt Kinder des Lichts? Und was bedeutet das, dass Menschen in der Finsternis sind?
Ich möchte noch eine zweite Annäherung an dieses Bild von Licht und Finsternis machen. Ich möchte mal die physikalische Ebene anschauen. Alles Licht auf dieser Erde kommt von der Sonne. Finster ist es dort, wo das Sonnenlicht nicht hinkommt. In der Tiefsee etwa, im Mariannengraben, in 10.000m Tiefe, da ist es stockdunkel. Und auf der Erdoberfläche wird es Nacht, weil die Erde sich so gedreht hat, dass wir uns gerade auf der sonnenabgewandten Seite unseres Planeten befinden. Dennoch kommt da noch ein wenig Licht hin. Der Mond z.B. wird von der Sonne angestrahlt und er leuchtet darum nachts für uns auf der Erde. Der Mond selbst ist allerdings keine Lichtquelle im strengen Sinn. Er gibt nur das Licht der Sonne ein wenig an uns weiter.
Die Sonne allein ist reines Licht, Quelle allen Lichtes. Alles andere Licht auf dieser Erde erreicht uns praktisch nur dadurch, dass das Sonnenlicht bzw. die Sonnenenergie weitergeleitet bzw. umgewandelt wird. Selbst das Feuer oder das elektrische Licht ist keine ursprüngliche Lichtquelle, sondern nur eine Form, die die Ursprungsenergie der Sonne durch Umwandlung schließlich angenommen hat.
Und diese physikalische Tatsache möchte ich nun einmal auf Gott übertragen. Gott ist wie die Sonne. Gott ist reines Licht. Jakobus 1, Vers 17 bezeichnet Gott als Vater des Lichts. Und Jakobus betont in diesem Vers: "In ihm ist keine Finsternis und kein Wechsel zwischen Licht und Finsternis." Also keine Graustufen in Gott. Und in Bezug auf Gott selbst ist darum auch ein Schwarz-Weiß-Denken vollkommen angebracht. Gott ist reines Licht. In ihm gibt es keine Schattierungen hin zur Dunkelheit.
Und Gott ist auch übertragen absolut gut. Da gibt es keine Schattierung hin zum Bösen und zur Finsternis. Als ein Pharisäer einmal Jesus als "Guter Meister" ansprach, antwortete Jesus ganz entschieden. "Was nennst du mich gut. Niemand ist gut als Gott alleine." Lukas 18,18f
Und jetzt versuchen wir einmal auf diesem Hintergrund die Worte des heutigen Predigttextes zu hören.
Was bedeutet das, dass ein Mensch in der Finsternis ist? Es bedeutet ganz einfach, dass er sich von Gott, dem Vater des Lichts, abgewandt hat, weggedreht, sich seinem Licht entzogen hat.
Was bedeutet das, dass ein Mensch ein Kind des Lichtes ist? Es bedeutet ganz einfach, dass ein Mensch sich bewusst dem Vater des Lichtes zugewandt hat und sich in seinen Einflußbereich stellt.
Allerdings betont Paulus: Wenn das so ist, dann sind wir Licht "in dem Herrn". Das heißt, wir sind nur insofern Licht, als das Licht Gottes auf uns scheint und von uns weiterstrahlen kann. Wir sind gewissermaßen wie der Mond. Er leitet nur das Licht der Sonne weiter. Menschen, die zu Gott gehören, sind nicht selbst Licht, sondern sie sind Kinder des Lichts. Kinder des Lichts sind Menschen, die sich bewusst aus dem Schattenbereich der Gottabgewandtheit heraus bewegt haben, um sich dem Licht, dem Einflußbereich Gottes zuzuwenden.
Aber das ist nicht nur eine einmalige Geschichte, die sich in Bekehrung und Wiedergeburt ausdrückt. Es ist entscheidend wichtig, dass Kinder des Lichts dann auch in Gottes Einflußbereich bleiben, bzw. immer wieder neu in seinen Einflußbereich eintreten, wenn sie sich da raus bewegt hatten. Denn ohne Kontakt zur Lichtquelle wird es auch in Kindern des Lichts über kurz oder lang finster. Vielleicht liefern unsere frommen Batterien dann noch einige Zeit Strom und lassen uns einige Zeit selbst Licht produzieren, aber über kurz oder lang brauchen wir die Verbindung zur Energiequelle, zum Vater des Lichts, sonst wird es in uns und durch uns immer dunkler.
Ich persönlich darf mich, wie Paulus es nennt, als ein Kind des Lichts bezeichnen. Ich habe mich als junger Mensch ganz bewusst dafür entschieden, mein Leben Jesus Christus zu übergeben und mein ganzes Dasein auf Gott auszurichten. Nach Paulus hatte ich mich damit grundsätzlich aus der Finsternis heraus bewegt. Aber hieß das, dass ich mich ab diesem Moment nur noch im Licht Gottes bewegte? Leider nicht. Es gab unzählige Situationen in meinem Leben, da habe ich Dinge getan, von denen ich genau wusste, dass sie vor Gott falsch sind. Und ich konnte diese Dinge nur tun, indem ich dabei bewusst jeglichen Gedanken an Gott wegdrückte. Ich stellte mich also gewissermaßen bewusst außerhalb des Lichtpegels Gottes. Und da ist es finster geworden in mir und um mich. Doch mein Gewissen ließ mich diese Dunkelheit spüren. Und mein Gewissen ermutigte mich dann nach einigem Ringen, mich mit meiner Schuld wieder ins Licht Gottes zu wagen. Ich trug die Sünde zum Kreuz, an dem Jesus Christus für mich starb, und dort unter dem Kreuz wurde es plötzlich wieder hell für mich. Vergebung riss die dunkle Wolkendecke wie mit einem Lichtstrahl auf und ließ es in mir wieder hell werden.
Es gibt dieses wunderbare Sprichwort: Wende dein Gesicht der Sonne zu, dann fällt dein Schatten hinter dich.
Wenn wir uns Gott zuwenden, dann dürfen wir immer wieder unseren Schatten hinter uns lassen. Wir erfahren Vergebung, Barmherzigkeit, Güte, finden Wegweisung, Wahrheit, Zukunft, Hoffnung. Das ist jeden Tag das Beste, das wir tun können: Wende dein Gesicht der Sonne zu, dann fällt dein Schatten hinter dich.
Aber dieses Lebensgeheimnis trifft auch leider umgekehrt zu. Wenn wir uns von Gott wieder wegdrehen, dann sehen wir plötzlich in unseren Schatten. Und in diesem Schatten, da sehen wir unser Versagen, da melden sich unsere Zweifel, da tun sich Abgründe auf, Abgründe aus Sorgen und Angst. Abgründe aus Sünde und Schuld. Wenn ich mich von Gott wegdrehe und meinem Schatten zuwende, dann wird es immer dunkler.
Ich möchte gestehen, dass ich diese Erfahrung fast täglich mache. Wenn ich morgens aufstehe, dann sehe ich oft nur einen Berg von Problemen vor mir. Ich schaue auf mich und meine Möglichkeiten und die Angst und Mutlosigkeit wird immer größer. Ich starre auf meinen Schatten. Und deshalb ist es jeden Morgen für mich wichtig, dass ich mich bewusst dem Licht zuwende. Ich setze mich in meine stille Ecke und schlage das Losungsbuch und die Bibel auf. Und ich bete. Ich mache mir bewusst, dass der dreieinige Gott jetzt da ist. Ich rede zu Jesus, weil ich mich in seiner Gegenwart so verstanden und wohl fühle. Ich mache mir bewusst, dass sein Geist in mir ist und mein Herz erforscht und alles kennt und spürt, was mich gerade bewegt. Ich beginne zu ahnen, dass mein Vater im Himmel mir gerade wertschätzend zulächelt. Ich lasse sein Licht auf mich scheinen und ergreife den Frieden, den er mir zufließen lässt. Ich schöpfe Vertrauen, weil ich seine Zusage höre, für mich zu sorgen, auch an diesem Tag, auch in diesen speziellen Problemen, die ich sehe. Diese Zeit in der Stille, diese Zeit in der bewusst gemachten Gegenwart Gottes ist für mich reine Lichttherapie. Ich brauche sie wie die Luft zum Atmen und die Nahrung zum Leben.
Kinder des Lichts üben sich darin, dass sie sich immer und immer wieder dem Vater des Lichts zuwenden, denn sie tragen das Licht nicht in sich selbst, sondern empfangen es täglich von ihm. Und sie empfangen es vor allem in der Liebe, mit der der Sohn unseres Vater im Himmel uns geliebt hat. Seines Lebenshingabe, die am Kreuz endete, ist das Zeichen seiner unerschöpflichen Liebe. Dieses Kreuz steht wie ein Pluszeichen vor jedem neuen Tag. Und diese Liebe kann ich jeden Tag neu empfangen und in Anspruch nehmen. Übrigens auch heute und jetzt.
Und wenn wir das verstanden haben, dann können wir auch die Aufforderung unseres Predigttextes erst richtig hören. Paulus sagt: "Wandelt als Kinder des Lichts. Die Frucht des Lichts aber ist Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit."
Hier geht es nicht um eine Aufforderung zu moralischen und ethischen Höchstleistungen. Sondern es geht darum, dass wir uns mit unseren Möglichkeiten auf Gott, auf das Licht ausrichten.
Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit, da sind zunächst einmal Eigenschaften Gottes. Gott ist gut, reine Güte. Gott ist gerecht, wahre Gerechtigkeit. Gott ist Wahrheit, ewige Wahrheit. Was Güte ist, was Gerechtigkeit ist, was Wahrheit ist, das können wir in Reinform sehen, wenn wir auf Gott schauen.
"Ahmt nun Gott nach als geliebte Kinder 2 und wandelt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch ", sagt Paulus.
"Mimesis" ist der griechische Fachausdruck, der hier für "Nachahmen" steht. Wenn man in der Antike zu einer bestimmten Aufgabe ausgebildet wurde, dann spielte diese "Mimesis" diese "Nachahmung" eine große Rolle. Man schaute sich in seiner Ausbildung vor allem an, was große Meister einem vorgemacht haben und ahmte das dann nach. Allerdings nach dem System: Kapieren und nicht kopieren. Man lernte die hohe Kunst darin, dass man sich anschaut, kapiert und nachahmt, was andere in Perfektion einem vorgemacht haben.
"Ahmt Gott nach," sagt Paulus. Wie sollen wir Gott nachahmen, den wir doch gar nicht sehen können? Ganz einfach, indem wir auf Jesus sehen, seinen Sohn. Wir sehen in allem, was Jesus uns vorgelebt hat, was es konkret bedeutet, im Licht zu wandeln. Wir sehen, was Jesus unter Gerechtigkeit verstand. Wir sehen, welche Wahrheit er verkörperte. Wir sehen seine Güte. Und wir sehen vor allem, dass Jesus diese drei Kategorien der Liebe in seinem Leben und Handeln in eine Harmonie gebracht hat: Wahrheit und Gerechtigkeit und Güte. Die Ehebrecherin sprach er frei. Alles drei kommt hier zusammen. Wahrheit, Gerechtigkeit und Güte. Dem Zöllner Zachäus eröffnete er eine neue Lebensperspektive. Wahrheit, Gerechtigkeit und Güte. Den Petrus berief er trotz seines Versagens zum Fels, auf den er seine Kirche baut. Wahrheit, Gerechtigkeit und Güte.
In Jesu Lebensvorbild drückt sich für uns am Besten aus, was es heißt, als Kinder des Lichts zu leben. Übrigens zeigt uns Jesus auch, wie wichtig es für ihn war, immer wieder ganz bewusst im persönlichen Gebet ins Licht seines Vaters im Himmel zu treten. Wie oft heißt es von ihm: Vor Tagesanbruch stieg er auf einen Berg und betete.
"Wandelt als Kinder des Lichts. Die Frucht des Lichts aber ist Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit."
Wir werden in der vor uns liegenden Woche sicher mit Situationen und Menschen konfrontiert werden, wo wir herausgefordert sind, diese drei Kategorien der Liebe anzuwenden. Wie werden wir uns verhalten: Welche Rolle spielt die Wahrheit? Was bedeutet jetzt Gerechtigkeit? Und vor allem, wie können wir Wahrheit und Gerechtigkeit mit Güte in Einklang bringen?
Wenn wir uns diese Fragen immer wieder aufrichtig stellen, dann werden wir merken, wie sehr wir auf Orientierung und Hilfe angewiesen sind. Als Kinder des Lichts werden wir diese beim Vater des Lichts suchen. Wir werden uns im Gebet mit unseren Fragen an ihn wenden. Wir werden lernen, barmherzig zu sein, wie auch unser Vater im Himmel barmherzig ist. Und wir werden lernen, uns an der Art der Liebe auszurichten, mit der Jesus uns geliebt hat und jeden Tag neu beschenkt.
Amen