Text der Predigt am 17. Januar 2021

PREDIGT zu Johannes 2, 1-11

1 Und am dritten Tage war eine Hochzeit zu Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war da. 2 Jesus aber und seine Jünger waren auch zur Hochzeit geladen. 3 Und als der Wein ausging, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr. 4 Jesus spricht zu ihr: Was habe ich mit dir zu schaffen, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. 5 Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut. 6 Es standen aber dort sechs steinerne Wasserkrüge für die Reinigung nach jüdischer Sitte, und in jeden gingen zwei oder drei Maße. 7 Jesus spricht zu ihnen: Füllt die Wasserkrüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis obenan. 8 Und er spricht zu ihnen: Schöpft nun und bringt's dem Speisemeister! Und sie brachten's ihm. 9 Als aber der Speisemeister den Wein kostete, der Wasser gewesen war, und nicht wusste, woher er kam – die Diener aber wussten's, die das Wasser geschöpft hatten –, ruft der Speisemeister den Bräutigam 10 und spricht zu ihm: Jedermann gibt zuerst den guten Wein und, wenn sie trunken sind, den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten. 11 Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat. Es geschah zu Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn.

Man muss sich das mal konkret vorstellen: In der Regel dauerte eine israelische Hochzeit 7 Tage und wahrscheinlich 7 Nächte lang. Es müssen rauschende Feste gewesen sein. Alle, die nur irgendwie konnten, feierten mit. Ganze Dörfer. Da konnte es natürlich schnell passieren, dass die Gastgeber sich mit der Menge des Essens und des Trinkens verkalkulierten und die Vorräte frühzeitig zur Neige gingen.
Genauso stellte man es jedenfalls mit Erschrecken bei dieser Hochzeit zu Kana fest. Mitten im Feiern war da plötzlich Ebbe. Kein Wein mehr da. Die Krüge leer. Peinlich! Die Leute könnte man damit eigentlich nach Hause schicken.
Natürlich haben wir da nichts einzuwenden, dass Jesus diese peinliche Situation rettet, indem er Wasser in Wein verwandelt. Schön, denke ich, dass Jesus gleich mit seinem ersten Wunder zeigt, dass er kein griesgrämiger Moralapostel ist, sondern es gerne sieht, wenn Menschen feiern und sich freuen.

Andrerseits wirkt das dann doch wieder etwas befremdlich auf mich, was Jesus hier genau getan hat. Nicht die Tatsache, dass er überhaupt Wasser in Wein verwandelte, sondern um welche Menge es sich dabei handelte. Es waren sechs Krüge. Und in einen dieser Krüge gingen, wie es heißt, zwei oder drei Maß, das sind umgerechnet etwa 100 Liter. Das bedeutet: Jesus bescherte der Festgesellschaft insgesamt 600 Liter Wein. Wenn wir mal von 100 erwachsenen Hochzeitsgästen ausgehen, dann wären das für jeden Gast 6 Liter Wein - starker israelischer Wein! Ohne Zweifel konnten damit alle ordentlich einen über den Durst trinken.
Ich kann da diesen pietistischen Bibelausleger aus dem Schwabenland gut verstehen, der zu diesem Bibelabschnitt nur trocken bemerkte (ich zitiere im Originalton): "Dess war ned dess beschde Schdüggle von onserem Herrn!"

Dennoch lässt sich daran nichts herum deuten: Jesus hat dieses Fest durch diese nicht kleinliche Menge Wein gerettet. Und im letzten Vers unseres Bibelabschnitts heißt es kommentierend dazu: "Durch dieses Zeichen offenbarte Jesus seine Herrlichkeit und seine Jünger glaubten an ihn."
Welche Herrlichkeit wurde hier eigentlich offenbar? Und was haben die Jünger gesehen, das sie zum Glauben an Jesus bewegte?
Gerne möchte ich nochmal unseren Bibeltext entlanggehen, um zu entdecken, wie dieses zeichenhafte Wunder Jesu auch in unser Leben hineinsprechen könnte.

Am Anfang lesen wir, dass Maria, die Mutter Jesu, ihren Sohn darauf aufmerksam macht, dass die Hochzeitsgesellschaft keinen Wein mehr hat. Darauf reagiert Jesus sehr wirsch. "Frau", sagt er zu seiner Mutter, "das ist meine Sache, nicht deine!" Das ist schon hart, wenn ein Sohn so mit seiner Mutter redet. Aber Jesus fühlte sich offenbar von seiner Mutter sehr bedrängt und reagierte darum so abwehrend. "Meine Stunde ist noch nicht gekommen!" erklärt er. Das heißt nichts anderes, als dass Jesus schon selbst entscheiden musste, wann und wie er mit seinem Wirken in die Öffentlichkeit gehen würde. Das war strenggenommen auch nicht seine Entscheidung, sondern die Entscheidung seines Vaters im Himmel, und nicht die seiner Mutter!

Und das hatte Maria offensichtlich auch schnell begriffen. Sofort gibt sie den Dienern die Anweisung: "Tut, was er euch sagt!" Lasst ihn entscheiden, was richtig ist! Sie akzeptiert also Jesu Souveränität und traut ihm das bessere Urteilsvermögen zu.
Hier können wir von Maria lernen. Nicht nur als Eltern, die wir lernen müssen, unsere erwachsen werdende Kinder loszulassen und als eigenverantwortliche Menschen zu behandeln, sondern auch grundsätzlich als Christen, dass wir Jesus in seinem besseren Urteilsvermögen vertrauen lernen.

Oft verhalten wir uns ähnlich wie anfänglich Maria. Wir bedrängen Jesus, dass er unsere Wünsche erfüllt. Wir hadern vielleicht mit ihm, weil uns manches in unserem Leben nicht passt. Oder wir sind ungeduldig, weil Gottes Antwort auf eine drängende Frage auf sich warten lässt. Aber auch da gilt dann vielleicht, dass die rechte Stunde noch nicht da ist. Und wir müssen wie Jesus beten lernen: "Herr, nicht mein, sondern dein Wille geschehe!"
Ich wünsche uns allen dieses Vertrauen von Maria, die nach anfänglichem Bestimmenwollen dann sagen konnte: Lasst ihn entscheiden, was richtig ist! Das ist keine blinde Ergebenheit in irgendein dumpfes Schicksal, sondern das ist echtes Vertrauen in Gottes besseres Urteilsvermögen.

Interessant ist nun aber, dass Jesus den Wunsch seiner Mutter doch noch erfüllt, obwohl er sich zunächst dagegen gewehrt hatte. Warum eigentlich? Ich glaube vor allem, weil ihm der Mangel der Hochzeitsgesellschaft nicht egal gewesen ist. Dieser Mangel, diese ausgehende Freude mitten im Fest ging Jesus zu Herzen. Jesus ist das nicht egal, wenn Menschen die Lebensfreude ausgeht. Es berührt ihn zutiefst, wenn das geschieht, denn er ist gekommen, um uns ein Leben in Fülle zu schenken.

Und deshalb dürfen wir uns an dieser Stelle einmal ehrlich fragen, wo uns vielleicht der Wein der Lebensfreude ausgegangen ist wie bei dieser Hochzeitsgesellschaft damals.
Nein, es wird wohl in unseren Tagen und in unserem Land kaum eine Hochzeit geben, bei der konkret das Essen und Trinken ausgeht. Aber übertragen sehe ich da in mir und um mich herum vieles am Ausgehen, viel Mangel, der nach Verwandlung schreit.

Ich sehe z.B. die Liebe ausgehen bei Paaren, die einmal voller Leidenschaft füreinander gebrannt haben.
Ich sehe z.B. die Lebensleichtigkeit ausgehen bei Menschen, die einmal gesprüht haben vor Fröhlichkeit und Optimismus.
Ich sehe z.B. Gesundheit ausgehen bei Menschen, die immer gestrotzt hatten vor Energie und Kraft.
Ich sehe z.B. die Geduld ausgehen bei Menschen, die einfach schon zu viel getragen und ertragen haben.
Ich sehe z.B. die Hoffnung ausgehen bei Menschen, die von der bitteren Wirklichkeit inzwischen ganz eingeholt und überwältigt worden sind.
Und ich sehe den Glauben ausgehen bei Menschen, die einmal so für Gott gebrannt haben.

Ja, ich sehe dieses Ausgehen von Lebensfreude und Lebenskraft ganz besonders in dieser Pandemiezeit. Frustrierte Helfer, erschöpfte Pfleger, vereinsamte Menschen, ratlose Politiker, existenzbedrohte Selbstständige. Die Pandemie droht viele Lebensfeste zum Abbruch zu bringen und sie kippt den Wein der Lebensfreude in den Sand der Kontaktarmut.
Wo bist du vielleicht davon betroffen? Wo ist bei dir die Freude am Ausgehen, oder der Glaube, oder die Liebe, oder die Hoffnung? Nimm Dir kurz Zeit und denk darüber nach, spür in dich hinein...

Es ist gut, wenn wir uns nichts vormachen, wenn es uns so geht. Es ist gut, wenn wir unseren Mangel nicht durch vorgespielte Freude und künstliches Leben übertünchen. Es ist gut, diesen Mangel stattdessen ganz ehrlich Gott anzuvertrauen.

Der katholische Priester und Lyriker Wilhelm Willms hat einmal einen Text zur Hochzeit zu Kana geschrieben, der mir genau dazu Mut macht. Es ist ein Text, der zunächst einmal an ein Liebes- oder Ehepaar gerichtet ist, aber im Grunde genommen spricht er auch in viele andere Bereiche unseres Lebens hinein.

SPIELREGEL (zur Hochzeit von Kana)

in dieser geschichte spielst du mit
in dieser geschichte spielt ihr mit
in dieser geschichte spielt jeder mit

es gibt auch bei dir hoch-zeit tief-zeit

und auch dir oder euch beiden wird schon mal der wein ausgehen

gerade dann wenn ihr es am wenigsten vermutet oder brauchen könnt

der wein der freude des glücks
der wein des vertrauens und der täglichen zärtlichkeit
so sehr kann der wein ausgehen dass man glaubt es geht nicht mehr

in solcher situation ist diese geschichte
diese bezaubernde geschichte eine wunderbare spielregel
und immer erinnert euch dann an diese geschichte

wenn die krüge in eurem leben leer sind
wenn euer leben leer ist
dann tut was er euch sagt
tut was zu tun ist
tut was ihr könnt
das einfachste von der welt

gebt was ihr habt -
nie sollen wir etwas halb tun
sondern ganz bis zum Rand
sollen wir die leeren krüge füllen
mit dem was wir haben
vielleicht mit unseren tränen
mit unseren ängsten
mit unserer traurigkeit

wer nicht an ein wunder glaubt ist kein realist
ohne wunder geht kein leben
erst recht kein leben zu zweit
zu dritt zu viert ...


"Gebt, was ihr habt", das ist die Spielregel, die Wilhelm Willms in der biblischen Geschichte von der Hochzeit zu Kana entdeckt hat. "Gebt genau das, was ihr habt" - ich glaube darauf kommt es im Leben an. Manchmal haben wir Freude, Kraft und Energie zu geben. Manchmal aber nur den Mangel, die Leere, die Kraftlosigkeit. Aber genau auch das sollen und dürfen wir Gott geben. Und genau auch das braucht er, um die leeren Krüge unseres Lebens wieder zu füllen.

Interessant am Weinwunder Jesu ist ja folgende Tatsache: Jesus schuf den Wein nicht aus dem Nichts heraus, sondern er brauchte zum einen das Wasser, das die Diener in die Krüge füllten. Und zum zweiten brauchte er die Menschen, die taten, was er sagte, und die die Krüge holten und mit Wasser füllten.

Wilhelm Willms überträgt das auf unser Leben so:
wenn die krüge in eurem leben leer sind
wenn euer leben leer ist
dann tut was er euch sagt
tut was zu tun ist
tut was ihr könnt
das einfachste von der welt

gebt was ihr habt -
nie sollen wir etwas halb tun
sondern ganz bis zum Rand
sollen wir die leeren krüge füllen
mit dem was wir haben
vielleicht mit unseren tränen
mit unseren ängsten
mit unserer traurigkeit

Diese Zeilen berühren mich, sie sprechen eine tiefe Wahrheit aus, die ich schon vielmals in meinem Leben persönlich erfahren habe. Das Wunder neuen Glücks und neuer Freude konnte ich nie bewirken, aber ich konnte zuvor geben, was ich hatte, selbst wenn es Angst oder Trauer war, und Jesus hat daraus Wunderbares werden lassen.

"Gebt, was ihr habt!" Ich glaube, dieses Wort sollten wir uns auch als Gemeinde zu Herzen nehmen. Die Pandemie hat uns in eine Situation der schmerzhaften Ebbe im Gemeindeleben gezwungen. Es ist, wie wenn das geistliche Leben immer mehr austrocknen würde. Wir mussten so viele unserer Pläne und Wünsche begraben. Und mich beschleichen sehr bescheidene Gefühle, wenn ich an das Gemeindeleben im vor uns liegenden Jahr denke. Ich sehe all die Schwierigkeiten und Hindernisse, die uns den Weg in ein fröhliches und unbeschwertes Gemeindeleben versperren. Und ich spüre meine Ratlosigkeit und Müdigkeit. Am liebsten würde ich den Kopf in den Sand stecken und resignieren.

Aber genau das ist der größte Fehler, den wir in dieser Situation machen können. Jesus will uns eine andere Perspektive eröffnen: Er fordert uns heraus, genau das zu geben, was wir im Moment haben und wenn es noch so bescheiden und begrenzt ist. Er fordert uns heraus, das zu geben, was wir haben, auch wenn es nur simples, einfaches Wasser ist. In Kana hat er das Wasser in Wein verwandelt. Und ich glaube, dass er dieses Wunder auch unter uns bewirken kann. Er will unseren bescheidenen Beitrag für sein Reich so verwandeln, dass dadurch Wunderbares entstehen wird. Das ist die Herrlichkeit, die Jesus in Kana offenbart hat. Dass er das Alltägliche, das Bescheidene und Normale in eine Fülle verwandelt. Und das will er auch heute noch tun. Darum lädt er uns ein, ihm das zu geben, was wir haben. Nicht mehr und nicht weniger. Wir dürfen es hoffnungsvoll Jesus überlassen, was er daraus machen wird.
Amen

Lieber Herr Jesus Christus,
danke, dass du der Herr bist. Danke, dass du Wunder tust. Danke dass du die Armut unseres Lebens in Reichtum verwandeln kannst, das Wasser in Wein, die Leere in Fülle. Du siehst in unsere Herzen. Du weißt, wie es dort aussieht und spürst, was wir empfinden. Danke, dass wir vor dir ganz ehrlich sein dürfen - auch unseren Mangel und unsere innere Leere kennst du. Wir wollen dir geben, was wir haben. Und wenn es noch so bescheiden ist. Wir wollen tun, was wir können. Und wenn es noch so begrenzt ist.
Wir bitten dich für unsere Gemeinde. Du siehst, wo wir stehen und kennst unseren Mangel. Schenk uns neuen Glauben, neue Liebe, neue Hoffnung.
Das bitten wir auch für unsere Kirche und für die anderen Gemeinden und Kirchen in unserer Stadt und in unserem Land.
Wir beten für die Coronasituation, in der wir momentan feststecken. Segne alle Bemühungen, die im Moment geschehen, das Virus zu bekämpfen - die schmerzhaften Einschränkungen und den zögernden Impfbeginn.
Wir beten für die Coronasituationen auf der ganzen Welt, besonders für die armen Länder und alle, die noch mehr unter der Bedrohung leiden als wir.
Wir beten für die USA. Schenke eine Umkehr zum Frieden und zur Versöhnung. Segne den neuen Präsidenten. Er gibt, was er hat, verwandle es zum Segen in aller Zerissenheit.
In der Stille wollen wir dir sagen, was uns ganz persönlich bewegt...
VATERUNSER

Zurück