Text der Predigt am 13. Juni 2021

Predigt "Was baut die Gemeinde auf?"

1. Korinther 14, 1-12
1 Strebt nach der Liebe! Bemüht euch um die Gaben des Geistes, am meisten aber darum, dass ihr prophetisch redet! 2 Denn wer in Zungen redet, der redet nicht zu Menschen, sondern zu Gott; denn niemand versteht ihn: im Geist redet er Geheimnisse. 3 Wer aber prophetisch redet, der redet zu Menschen zur Erbauung und zur Ermahnung und zur Tröstung. 4 Wer in Zungen redet, der erbaut sich selbst; wer aber prophetisch redet, der erbaut die Gemeinde. 5 Ich möchte, dass ihr alle in Zungen reden könnt; aber noch viel mehr, dass ihr prophetisch redet. Denn wer prophetisch redet, ist größer als der, der in Zungen redet; es sei denn, er legt es auch aus, auf dass die Gemeinde erbaut werde. 6 Nun aber, Brüder und Schwestern, wenn ich zu euch käme und redete in Zungen, was würde ich euch nützen, wenn ich nicht mit euch redete in Worten der Offenbarung oder der Erkenntnis oder der Prophetie oder der Lehre? 7 So verhält es sich auch mit leblosen Instrumenten, es sei eine Flöte oder eine Harfe: Wenn sie nicht unterschiedliche Töne von sich geben, wie kann man erkennen, was auf der Flöte oder auf der Harfe gespielt wird? 8 Und wenn die Posaune einen undeutlichen Ton gibt, wer wird sich zur Schlacht rüsten? 9 So auch ihr: Wenn ihr in Zungen redet und nicht mit deutlichen Worten, wie kann man wissen, was gemeint ist? Ihr werdet in den Wind reden. 10 Es gibt vielerlei Sprachen in der Welt, und nichts ist ohne Sprache. 11 Wenn ich nun die Bedeutung der Sprache nicht kenne, werde ich ein Fremder sein für den, der redet, und der redet, wird für mich ein Fremder sein. 12 So auch ihr: Da ihr euch bemüht um die Gaben des Geistes, so trachtet danach, dass ihr sie im Überfluss habt und so die Gemeinde erbaut.

Was baut die Gemeinde auf? Das ist die Frage, die im Hintergrund unseres heutigen Predigttextes steht. Was baut die christliche Gemeinde auf? Das ist auch die Frage, die mich momentan in Bezug auf unsere Gemeinde in Neuenhain am meisten bewegt. Wir stehen momentan nach meiner Einschätzung vor einem einschneidenden Prozess des Wiederaufbaus. In der Pandemie sind wir gezwungen worden, unser Gemeindeleben komplett zu verändern und herunterzufahren. Plötzlich waren letztes Jahr rund um Ostern nicht einmal mehr Gottesdienste möglich. Und auch keine Gruppentreffen. Keine seelsorgerlichen Begegnungen. Oder so etwas wie Überraschungskirche oder Aufwindgottesdienste, um Menschen in die Gemeinde einzuladen. Was blieb da überhaupt noch vom Gemeindeleben übrig? Ja, wir haben Alternativen gefunden. Gottesdienste doch wieder gefeiert. Aber eben komplett anders. Mit Distanz und Anmeldung oder zeitweise nur übers Internet. Und wir haben auch versucht, Kontakt zueinander zu halten. Telefonate, Zoom-Treffen, E-Mail-Verbindungen. Aber im Großen und Ganzen ist unser Gemeindeleben doch jetzt über fast eineinhalb Jahre runtergefahren geblieben. Und nun, da wir durch die Impfungen hoffen, dass sich die Pandemielage bleibend entspannt, steht nach meinem Dafürhalten ein Neustart an. Und unser großes Thema wird für die nächsten Monate lauten: Was baut die Gemeinde jetzt wieder auf?

Uns ist allen klar: Es geht nicht einfach so weiter wie vor der Pandemie. So wie bei einem Reset eines Computers. Da fährt man einfach mal alles runter und dann werden alle Programme re-installiert und wieder hochgefahren. Ist so ein Reset in der Gemeinde dran? Dass alles nun wieder genauso weiter geht wie zuvor? Nein, ich glaube, dass wir vor einem wirklichen Wiederaufbau stehen verbunden mit dem Fragen, was für unsere Gemeinde dran ist. Und deshalb ist das auch für uns die wichtigste Frage, die uns unser heutiger Predigttext stellt:
Was baut die christliche Gemeinde auf?

Zunächst ist mir in Bezug auf diese Frage wichtig, dass sie nicht nur das Thema der paar Verse unseres heutigen Predigttextes ist, sondern das ist auch die zentrale Frage des ganzen ersten Korintherbriefes. Paulus gibt da ziemlich klare Antworten darauf, was Gottes Gemeinde aufbaut.

Schauen wir uns das übersichtsartig einmal an. 5 große Antwortkreise auf unsere Frage finde ich dort.

Paulus sagt erstens: Es ist der Geist Gottes, der die Gemeinde baut. Nicht Menschen sind die Konstrukteure und Macher der Gemeinde, sondern es ist der Herr der Gemeinde, Jesus Christus durch seinen Geist.

Wie baut zweitens der Geist Gottes die Gemeinde auf? Er baut sie dadurch auf, dass er Menschen in die Nachfolge Jesu ruft und sie in die christliche Gemeinde integriert.

Wozu integriert drittens der Heilige Geist die Menschen in die Gemeinde? Sie sollen ihre Begabungen in den lebendigen Organismus der Gemeinde einbringen. Alle Christinnen und Christen haben solche Charismen, wie sie Paulus bezeichnet. Das sind Begabungen, die uns der Geist Gottes schenkt. Diese Begabungen schenkt er uns mit dem Ziel, dass wir sie in die Gemeinde einbringen. Sie sind nicht in erster Linie für uns und unser Privatleben da, sondern für die Gemeinde.

Was sollen wir viertens mit diesen Gaben genau tun und was ist das innerste Geheimnis für einen gelingenden Gemeindeaufbau? Es ist das Wunder, wenn die Glaubenden ihre persönlichen Gaben genau an der Stelle einbringen, der für sie und die Gemeinde stimmt. Dann sind diejenigen glücklich, die ihre Gaben entfalten können und dann ist die Gemeinde glücklich, weil sie genau das bekommt, was sie braucht.
Nur ein kleines konkretes Beispiel dafür. Da sind Menschen, die haben die Gabe der Gastfreundschaft und deshalb laden sie den Hauskreis in ihr Wohnzimmer ein. Und das macht ihnen richtige Freude, weil dann Leben in ihrer Wohnung ist. Und der Hauskreis ist ebenso glücklich, weil man sich bei diesen Gastgebern pudelwohl fühlt. Geleitet wird der Hauskreis aber von einem anderen. Denn der hat die Gabe der Leitung. Er blüht immer regelrecht auf, wenn er Menschen zusammenbringen kann und diese dann vor Gott eine lebendige Gemeinschaft bilden. Eine wunderbare Symbiose geschieht in diesem Hauskreis: Jeder bringt sich mit der Gabe ein, die er hat. Einige mit der Gabe des Gebets oder auch der Lehre und vieles mehr. Anstrengend wäre es allerdings für die Gastgeber, wenn sie auch noch leiten müssten oder lehren müssten, denn das ist nicht ihr Ding. Und anstrengend wäre es für den Leiter, wenn er jedes Mal Gastgeber sein müsste, weil ihm dazu die Kapazität fehlt.

Paulus sagt: Die Gemeinde ist vergleichbar mit unserem Körper. Jeder Teil unseres Organismus ist lebenswichtig. Fehlt ein Körperglied oder Organ, oder ist es krank, so leidet der ganze Leib. Tun alle Körperglieder jedoch ihren Dienst in der ihnen zugemessenen Aufgabe, dann ist der Körper gesund. So ist es auch mit der Gemeinde. Sie krankt leider oft daran, dass einige ihre Gabe der Gemeinde vorenthalten. Sie gesundet, wenn Menschen sich wieder aufmachen und sich fragen: Wo will Gott mich gebrauchen?

Dabei gibt es allerdings fünftens noch ein weiteres Kriterium für jedes Mitwirken in der Gemeinde und für jedes Einbringen unserer Charismen Es soll von der Liebe bestimmt sein. Und das ist das oberste und wichtigste Kriterium für den Gemeindeaufbau. Er soll von der Liebe bestimmt sein. Und hier sind wir jetzt beim 13. Kapitel des 1. Korintherbriefes gelandet, das wohl die meisten Menschen kennen - das Hohelied der Liebe. Paulus beschreibt uns in 1. Korinther 13 das Wichtigste für jeden Gemeindeaufbau: Über allem zählt die Liebe. Hätte ich als Glaubender auch die beeindruckendsten Begabungen und Fähigkeiten und würde ich sie selbst unter Aufopferung meines Lebens in die Gemeinde einbringen, und hätte dabei aber keine Liebe, so wäre alles wertlos, und auch für den Gemeindeaufbau nichts nütze. Denn ohne Liebe funktioniert Gemeindeaufbau nicht.

Darum fängt unser Predigttext, der direkt an 1. Korinther 13 anschließt mit der Mahnung an: Strebt nach der Liebe!
Eigentlich ist das im Luthertext viel zu schwach übersetzt, es müsste eher heißen: Jagt nach der Liebe. Im Hintergrund des griechischen Begriffes, den Paulus hier verwendet, steht das Bild eines Jägers, der mit aller Energie und Ausdauer einem Tier hinterherjagt, vielleicht tagelang bis zur Erschöpfung, bis er es endlich hat. Und das gilt ebenso für den Gemeindeaufbau: Jagt darin hinter der Liebe her. Auch wenn es uns hart an die Grenzen unserer Möglichkeiten bringt und wir immer wieder darin scheitern: Wir werden nicht aufgeben, in allem der Liebe hinterherzujagen. Sonst können wir den Gemeindeaufbau gleich bleiben lassen. Es geht da im Zentrum nicht um richtig oder falsch, um Bibelarbeit kontra soziales Engagement, um theologisch liberal oder konservativ, um liturgisch streng oder charismatisch offen, um Lobpreislied oder Choral, sondern es geht um die Liebe. Jagen wir in allem der Liebe hinterher?

Nun haben wir einen groben Überblick über das, was Paulus uns im ersten Korintherbriefs über das Geheimnis des Gemeindeaufbaus deutlich gemacht hat.
Erstens: der Geist Gottes baut die Gemeinde. Zweitens: Er tut es, indem er Menschen in die Nachfolge Jesu ruft und sie in die Gemeinde integriert. Drittens: Die Glaubenden sollen dann ihre Begabungen in die Gemeinde einbringen. Viertens: Der Organismus der Gemeinde ist vital und gesund, wenn die Menschen ihre Gaben an der richtigen Stelle einbringen. Fünftens: Das leitende Kriterium für alle Gaben und für allen Einsatz ist die Liebe.

So, und nun kommen wir im zweiten Predigtteil zum konkreten Inhalt von Kapitel 14. An einem besonderen Beispiel für Begabungen, die der Geist Gottes schenkt, zeigt uns Paulus auf, was dem Gemeindeaufbau dient und was nicht. Es geht um die beiden Charismen der Prophetie und der Zungenrede. Beide Charismen spielten in der Gemeinde von Korinth eine große Rolle.

Was ist Zungenrede? Ich würde es lieber präziser als Sprachengebet bezeichnen. Das ist eine Gabe, die der Heilige Geist einigen Christinnen und Christen schenkt. Nicht allen, aber bei den Korinthern waren es offensichtlich sehr viele gewesen. Mir ist diese Art des Gebets auch geschenkt, ich praktiziere es immer wieder, aber ich rede darüber nicht - heute sage ich das zum ersten Mal öffentlich. Zungenrede ist eine Gebetssprache, die mein Mund redet, die ich aber selbst nicht verstehe. Es ist eine Art, wie der Heilige Geist selbst in mir betet. Es ist das, was Paulus in Römer 8, Vers 26 so umschreibt: "Manchmal, wenn wir nicht wissen, was wir beten sollen, vertritt uns der Geist mit unaussprechlichem Seufzen." Zungenrede ist eine Gebetssprache, die in erster Linie mir im stillen Kämmerlein hilft, ganz nah bei Gott zu sein. Sie baut mich selbst auf.

Was ist Prophetie? Nein, Prophetie ist nicht das, was die meisten darunter ausschließlich verstehen: Vorhersage. Es ist kein In-die-Kugel-schauen und die Zukunft voraussehen. Biblische Prophetie ist das, was die Propheten Jesaja oder Jeremia oder Amos oder Micha vorgelebt haben: Sie haben auf Gott gehört und das, was sie von Gott gehört haben, haben sie ihren Zeitgenossen verkündet. Manchmal waren das tatsächlich Vorhersagen oder Visionen gewesen, aber zum Großteil bestand ihre Botschaft darin, dass sie ihrem Volk predigten, was Gott ihnen in ihrer aktuellen Situation sagen möchte. Sie waren gewissermaßen Sprachrohr Gottes. Oft war es Ermahnung, was man von ihnen hörte, Aufruf zur Umkehr, immer wieder aber auch Trost und Ermutigung. Prophetie ist eigentlich das, was wir heute als Predigt bezeichnen würden. Vollmächtige Auslegung von Gottes Wort in unsere Zeit und in unsere Lebenssituation hinein.

Paulus sagt in Vers 1-4:
Bemüht euch um die Gaben des Geistes, am meisten aber darum, dass ihr prophetisch redet! 2 Denn wer in Zungen redet, der redet nicht zu Menschen, sondern zu Gott; denn niemand versteht ihn: im Geist redet er Geheimnisse. 3 Wer aber prophetisch redet, der redet zu Menschen zur Erbauung und zur Ermahnung und zur Tröstung. 4 Wer in Zungen redet, der erbaut sich selbst; wer aber prophetisch redet, der erbaut die Gemeinde.

Bei den Korinthern muss es in den Gottesdiensten manchmal heiß zugegangen sein. Da beteten alle wild durcheinander in Zungen. Und ich vermute, dass das wohl einige besonders laut taten, um den anderen zu demonstrieren, wie sehr sie vom Heiligen Geist erfüllt sind. Aber beim diesem ganzen Durcheinander verstanden sie sich eben einander nicht. Vor allem verstanden die Gäste nichts, die zum ersten Mal in so einen Gottesdienst hineingeschnuppert hatten. Die dachten wohl eher, dass die ein bisschen spinnen.

Paulus lobte ein solches gottesdienstliches Beten in Zungen nicht, er bewunderte es nicht als Geist-erfüllt, sondern er entlarvte es als lieblos. Warum? Weil diese Art des Betens aus-schließt und nicht einschließt und integriert. Der Heilige Geist will Menschen in die Gemeinde hineinrufen und integrieren. Dadurch erbaut er die Gemeinde. Und deshalb sollte eben auch unsere Gottesdienste immer so gestaltet sein, das sie auch Menschen hineinnehmen können, die noch gar nicht in der Gemeinde angekommen sind.

Sprachfähig für das Evangelium sollen wir werden. Ich glaube, das ist das Anliegen, das Paulus uns hinter all seinen Ausführungen über die Zungenrede und die Prophetie nahebringen will. Wir sollen sprachfähig und kommunikationsfähig für das Evangelium werden. Unsere Gottesdienste sind nicht nur zu unserer eigenen Erbauung da, sondern um noch mehr Menschen eine Brücke zu Gott hin zu bauen. Unsere Gemeindeveranstaltungen sind nicht nur zu unserer eigenen Erbauung da, sondern sie sind dazu da, um noch mehr Menschen eine Brücke zu Gott hin zu bauen. Unsere Gemeindegruppen sind nicht nur zu unserer eigenen Erbauung da, sondern sie sind dazu da, um noch mehr Menschen eine Brücke zu Gott hin zu bauen. Und darum ist es wichtig, dass wir in unseren Gemeindegruppen, in unseren Gemeindeveranstaltungen, in unseren Gottesdiensten eine Sprache einüben, die auch die Menschen unserer Zeit verstehen.

Offen sein für neue Menschen, die der Geist Gottes zu uns führen möchte und sprachfähig werden für das Evangelium, das sind die beiden Anliegen, für die Paulus in unserem Predigttext wirbt.

Er wünscht sich, dass noch mehr Menschen diese Gabe der Prophetie in die Gemeinde einbringen. Ich glaube, das könnte auch ein Anliegen für unseren Gemeindewiederaufbau sein. Es ist nicht nur der Pastor, der der Gemeinde von Gott her etwas zu sagen hat. Ja wir haben auch Laienpredigerinnen und Laienprediger. Aber sie sind weniger geworden und das ist keine gute Entwicklung. Und ich glaube, dass Gott wieder mehr Menschen bei uns sehen möchte, die sich aktiv in die geistliche Leitung einbringen. Vielleicht tatsächlich als Laienpredigerin oder Laienprediger auf der Kanzel, aber geistliche Leitung geschieht auch bei den Kirchenkindern, wo wir Gottes Wort in die Lebenswirklichkeit der Kinder hinein übersetzen, oder im Teenykreis oder Jugendkreis, oder in der Gestaltung von Hauskreisen oder Gemeindegruppen.
Ich möchte dir am Ende meiner Predigt einfach mutig diese Frage stellen: Kann es sein, dass Gott dir die Gabe der Prophetie anvertraut hat oder noch schenken möchte? Kann es sein, dass Gott dich rufen möchte, diese Gabe zu entdecken und zu entfalten?

Lasst uns auf jeden Fall bei unserem bevorstehenden Wiederaufbau des Gemeindelebens aufmerksam auf die Stimme unseres Herrn hören. Lasst uns mutig unsere Charismen entfalten und dort einbringen wo der Organismus der Gemeinde sie braucht. Dazu segne uns Gott! Amen

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