Text der Predigt am 11. Juli 2021

Predigt zu Matthäus 28, 16-20

16 Aber die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte. 17 Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten. 18 Und Jesus trat herzu, redete mit ihnen und sprach: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. 19 Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes 20 und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

Liebe Gemeinde,

letzte Worte wiegen schwer. Wenn jemand z.B. am Ende seines Lebens seinen Angehörigen noch einen Wunsch oder eine Bitte ans Herz legt, dann werden diese Worte für sie große Bedeutung haben.

Die Bibelverse, die wir heute bedenken, haben auch große Bedeutung für uns. Denn sie sind so etwas wie das Vermächtnis von Jesus an seine Nachfolgerinnen und Nachfolger. Es ist der sogenannte Missionsbefehl. Jesus sendet seine Jünger aus - auch uns - um seine Botschaft weiterzusagen und weiterzutragen in die ganze Welt hinein. Schauen wir uns die Verse im Einzelnen an. Zunächst die Situation, in der sich die Jünger befinden.

Die Szene spielt nach der Auferstehung Jesu. Es ist nicht gesagt, welcher Zeitraum vergangen war, seitdem die Frauen an Ostern das Grab Jesu leer angetroffen hatten und sie ihm dann als Auferstandenen begegnet waren. Auch die anderen Jünger erlebten nach Ostern solche Jesusbegegnungen. Sie sahen ihn, er redete mit ihnen, sie aßen mit ihm, der zweifelnde Thomas durfte sogar seine Finger in seine Wundmale legen.

Und Jesus gab ihnen an Ostern den Auftrag, von Jerusalem wieder zurück nach Galiläa zu gehen, dort würde er ihnen noch einmal begegnen.
Warum Galiläa? Warum übermittelte ihnen Jesus sein letztes Vermächtnis nicht in Jerusalem, dem Ort seiner Heilstat am Kreuz und seiner Auferstehung, dem pulsierenden Zentrum des Glaubens? Warum im provinziellen galiläischen Hinterland? Ich denke, weil Galiläa die Heimat der Jünger war. Und weil dort in Galiläa alles angefangen hat. Dort begann Jesus seine Wirksamkeit. Und dort rief er auch seine Jünger in seine Nachfolge. Wenn Jesus jetzt ganz von dieser Erde gehen würde, so war es ihm wichtig, dass seine Jünger sich noch einmal an die Anfänge erinnerten. An ihre Berufung und all das, was sie mit ihm erlebt hatten.

Für meinen Glauben und meinen Dienst war das manchmal auch ganz wichtig gewesen, dass ich mich wieder an die Anfänge erinnerte. Es gab diese Momente, wo ich mit meiner Berufung rang, mich am liebsten verdrücken wollte aus meinen Dienst. Dann war es für mich immer wieder eine gute Übung und Hilfe, dass ich in Gedanken zurückging an die Anfänge. Mich erinnerte an diese Nacht in Südfrankreich, in der mich Jesus in einem Gespräch mit einem Freund ganz persönlich angerührt und auf den Weg in den Dienst eines Pastors geschickt hat. Das ist mein Galiläa, in das ich immer wieder in Gedanken zurückgehe und von dem aus ich mich immer wieder neu senden lasse.

Und so geschah es auch bei den Jüngern: Sie gingen zurück in ihre Heimat Galiläa und stiegen dort auf den Berg, den Jesus ihnen genannt hatte. Und dort erschien er ihnen noch einmal als der Auferstandene.

Und dann folgt im Text eine Bemerkung, die mich sehr bewegt: Es heißt: "Als sie Jesus sahen, fielen sie vor ihm nieder. Einige aber hatten Zweifel."
Können wir das verstehen? Da steht Jesus leibhaftig vor ihnen und einige haben immer noch Zweifel?? Und es spricht einiges dafür, dass man diesen Vers sogar so übersetzen kann, dass es sogar alle waren, die immer noch Zweifel in sich trugen. Aber egal, wie viele von ihnen jetzt noch zweifelten. Fakt ist: Engste Freunde von Jesus, die ihm sogar leibhaftig als Auferstandenen begegnet waren, zweifelten an ihm.

Wie sehr würde ich mir wünschen, nur eine solche Jesusbegegnung in meinem Leben gehabt zu haben, wo ich sagen könnte: Da habe ich ihn unanzweifelbar erlebt. Aber so etwas gibt es anscheinend nicht. Es gibt keinen Jesusbeweis. Es gibt keinen Gottesbeweis. Es geht unter dem Strich immer darum, dass wir glauben, obwohl wir nicht sehen. Es geht darum, dass wir vertrauen, obwohl wir keine Beweise haben. Ich habe in meinem Leben schon so viel erlebt, wo ich davon überzeugt bin, dass Jesus hier zu mir gesprochen hat, oder mir geholfen hat. Aber das sind alles Erfahrungen und Erlebnisse, die nur durch den Glauben für mich zu Jesusbegegnungen geworden sind. Und so intensiv diese Erfahrungen für mich auch waren: Sie haben mir nicht die Anfechtungen für alle Zeit genommen. Nein, immer wieder überkommen mich auch heute noch diese inneren Fragen, ob alles vielleicht doch Einbildung war und ist? Und soll ich euch was sagen: Ich kenne keinen Christen und keine Christin, die das, wenn sie ehrlich ist, nicht auch immer wieder so erlebt.

Wir sind als Glaubende immer wieder auch Zweifelnde. Aber als Zweifelnde bleiben wir zugleich Glaubende.

Fürchte dich nicht vor deinen Zweifeln, sondern akzeptiere sie als einen Teil des Glaubensweges. Zweifel kommen und gehen wie die Wellen des Meeres. Das wichtigste ist, dass du immer wieder zum Bekenntnis zurück findest: Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben.

Und nach dieser langen Vorrede komme ich nun endlich zum sogenannten Missionsbefehl Jesu. Aber diese Vorrede war mir wichtig. Denn genau unter diesen Vorzeichen höre ich nun auch diesen gewaltigen Auftrag, in den Jesus seine Nachfolgerinnen und Nachfolger stellt.

Wir werden uns diesem Auftrag stellen - nicht als Supermänner und Superfrauen im Glauben, sondern als solche, die immer wieder auch zweifeln, oder zögern, oder versagen. Aber wir werden uns dennoch aufmachen und immer wieder das wagen, was Jesus uns aufträgt.

"Gehet hin in alle Welt und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe."

Das ist die große Herausforderung, vor die Jesus uns auch heute stellt. Jeden und jede von uns. Nicht nur irgendwelche Spezialisten und Evangelisten, nicht nur Pastorinnen und Missionare, sondern alle, die an Jesus glauben. Behaltet diesen Glauben nicht nur bei euch, sondern gebt ihn weiter, teilt ihn mit euren Mitmenschen, bekennt euch zu mir, erzählt anderen von mir, ladet zum Glauben an mich ein, machet Menschen zu meinen Jüngerinnen und Jünger, seid Licht und Salz in eurer Lebenswelt.

In der zurückliegenden Woche haben wir im Gemeindevorstand darüber beraten, was für den Wiederaufaufbau der Gemeindearbeit nach dem Pandemiestillstand jetzt wichtig ist. Und natürlich sahen wir da zunächst einmal die Notwendigkeit, dass wir uns wieder sammeln als innerer Kern der Gemeinde. Dass wir wieder viel Gemeinschaft miteinander erleben, dass die Verbindungen zwischen uns wieder gepflegt und gestärkt werden. Doch ist uns im Fragen nach dem, was Gott will, auch klar geworden: Wir dürfen darüber unseren missionarischen Auftrag nicht vergessen. Wo Gemeinde sich nur um sich dreht, wo sich alles nur um die innere Pflege der Gemeinschaft und die persönliche Auferbauung der Einzelnen dreht, da lebt eine Gemeinde an ihrer Bestimmung vorbei. Das Vermächtnis Jesu fordert uns heraus, hinauszugehen und Menschen zum Glauben und zur Nachfolge einzuladen, die ihn noch nicht kennen oder noch nicht an ihn glauben. Als Gemeinde Jesu sind wir immer herausgefordert, zu fragen, wie wir diesen missionarischen Auftrag wahrnehmen können mit unseren Möglichkeiten und in unserem Umfeld.

Wie finden Menschen zum Glauben? Wie werden Menschen zu Nachfolgerinnen und Nachfolgern Jesu?

Beim Bedenken des Missionsbefehls Jesu sind mir zwei Wörtchen besonders aufgefallen: "lehret" und "lehret halten". Da steht nichts von "bekehret sie".
Im evangelikalen Umfeld konzentrieren wir uns gerne auf solche Bekehrungsmomente, so etwas wie auch unser Kirchenvater John Wesley in seiner Aldersgateerfahrung erlebt hat. Dass am 24. Mai 1738 beim Verlesen der Vorrede Martin Luthers zum Römerbrief sein Herz seltsam erwärmt wurde und er seit diesem Augenblick zutiefst wusste, dass er ein erlöstes Kind Gottes ist.
Es ist wunderbar, wenn uns solche gefühlsbetonten Erfahrungen und Momente geschenkt werden. Und für mich und viele andere war so ein Moment der entscheidende Impuls für die Nachfolge Jesu. Dass eine Predigt ihn oder sie mitten ins Herz traf. Oder ein Gebet oder ein Gespräch. Aber ich glaube, dass es Jesus beim Missionsbefehl um mehr geht als um Bekehrungsmomente. Es geht um ganzheitliche Nachfolge. Es geht darum, dass wir uns in die Schule Jesu begeben. Und das ist nicht nur ein einmaliger aufwühlender Moment, das ist nicht nur Taufe oder Bekehrung, sondern das ist ein anhaltender Prozess. Methodisten nennen das Heiligung. Es geht darum, dass wir uns auf einen Weg machen. Einen Weg, auf dem wir von Jesus lernen und das dann auch umsetzen, was wir von ihm lernen.

Wie können wir von Jesus lernen, der doch für uns gar nicht mehr so da ist wie für die ersten Jünger? Ganz einfach: Indem wir in der Bibel lesen und studieren, was uns von Jesus überliefert ist, was er gesagt und getan hat. Nehmen wir z.B. nur die Bergpredigt - Matthäus 5-7. Dort ist genug gesagt für ein ganzes Leben in der Nachfolge Jesu. Und zwar nicht nur für die Theorie und für nette Gespräche im Hauskreis, sondern für das tägliche Leben.

"Lehret die Menschen", sagt Jesus und "lehret sie, meine Worte halten", also "tun, was ich euch gesagt und vorgelebt habe". Die Menschen zu missionieren, bedeutet, sie für die Schule Jesu zu gewinnen. Ich bin davon überzeugt, dass die Schule Jesu die beste Schule der ganzen Welt ist. Es gibt für mich keine bessere Lehre als die, die uns Jesus gelehrt und vorgelebt hat. Ich bin davon überzeugt, dass diese Welt komplett anders aussehen würde, wenn wir Menschen uns wirklich an seiner Lehre ausrichten würden. Ein Segen breitet sich dort aus, wo Menschen sich an Jesus zu orientieren.

"Gehet hin in alle Welt und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geiste und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe."

Genau das haben die ersten Jünger getan. Mutig haben sie von Jesus erzählt. Und immer mehr Menschen hat das überzeugt und sie sind zum Glauben gekommen. Die Taufe auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes war das äußere Zeichen dieses Neubeginns in der Nachfolge Jesu.

Und noch etwas zweites gehörte untrennbar dazu, wenn Menschen sich in die Nachfolge Jesu begaben: Sie ließen sich in die Gemeinde Jesu integrieren. Jesus hat nie ein Einzelchristentum gelehrt. Wenn es nicht anders ging, haben Menschen wie der Kämmerer, der als einzelner Glaubender nach Äthiopien zurückgekehrt ist, allein den Glauben gelebt. Aber sie haben dann den Glauben dennoch weitergegeben und sobald wie möglich eine christliche Gemeinschaft gegründet. Auf den Kämmerer aus dem Morgenland geht wahrscheinlich die Entstehung der ganzen äthiopischen Kirche zurück.

Wir brauchen die christliche Gemeinschaft, wenn wir selbst in der Nachfolge Jesu wachsen wollen und wir brauchen sie, um Menschen in die Schule Jesu einzuladen.

Homeschooling war in der Pandemie lange Zeit angezeigt gewesen. In gewisser Weise auch für die Gemeinde. Dass jeder und jede mehr für sich zuhause den Glauben gelebt hat. Aber Jesus will, dass wir in der Nachfolge nun auch wieder in der Präsenz seiner Gemeinde leben, so wie die Schüler wieder in die Schule gehen. Dort in der Gemeinde wird Glaube gelehrt und gelernt, dort erfahren wir Korrektur und Auferbauung, dort verdichtet sich Jesu Gegenwart und wir erfahren ihn in besonderer Weise. "Wo zwei oder drei in meinem Namen beisammen sind, da bin ich mitten unter ihnen." Das ist Jesu Verheißung, die er der christlichen Gemeinschaft gibt.

Und genau das ist schließlich auch das Wichtigste, wenn wir den Missionsbefehl Jesu in unserem Leben umsetzen wollen. Wir brauchen ihn selbst dazu, seine Bevollmächtigung und seine begleitung.
Deshalb ist der Missionsbefehl Jesu eingebettet in zwei Verheißungen:
Zuvor sagt Jesus: "Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden"
und danach verspricht Jesus: "Ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt."
Nicht wir tragen die Mission, sondern Jesus trägt sie. An jedem neuen Tag ist er bei uns. An jedem neuen Tag will er uns in seiner Schule etwas Neues zeigen. Wir halten unsere Augen und Herzen dafür offen, wo und wie er uns begegnet, berührt, beschenkt, beauftragt. Lasst uns in seinem Namen Zeugen für ihn und seine Liebe sein. Amen

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