TEXT der Gottesdienstaufnahme für Sonntag, den 3. Mai

03.05.2020

Für alle, die die Gottesdienstaufnahme online nicht sehen können, hier der Text von Lesungen, Predigt und Gebeten


"Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Schöpfung.
Das Alte ist vergangenen, siehe Neues ist geworden."
2. Korinther 5,17


Heute ist der Sonntag Jubilate. Jubel ist angesagt - über was?
Über die Veränderung, die Gott in uns Menschen bewirkt. In der alten Kirche wurden die Menschen am ersten Sonntag nach Ostern getauft. Wie die neugeborenen Kindelein heißt deshalb dieser Sonntag. Doch Christen entwickeln sich auch weiter, vom Baby im Glauben zu reifen Nachfolgern Jesu Christi. Am 3. Sonntag nach Ostern geht es um diesen Veränderungsprozess, den Gott in uns bewirken möchte, eine Neuschöpfung unseres Lebens.

LIED 337, 1.6.8 Gott ist gegenwärtig

EVANGELIUM Johannes 15, 5-9
Jesus Christus spricht: Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun. Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer und sie müssen brennen. Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren. Darin wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und werdet meine Jünger. Wie mich mein Vater liebt, so liebe ich euch auch. Bleibt in meiner Liebe!


GEBET
Lieber Vater im Himmel,
Danke für diesen neuen Tag, den du uns zum Leben schenkst. Danke für deine Liebe, die du uns durch deinen Sohn Jesus Christus klar gemacht hast. Danke für dein Wort. Danke dass deine Liebe uns verändern will. Danke, dass du durch deinen Geist neues Leben in uns schaffst. Wir wollen nun offen sein für deinen Zuspruch und deinen Anspruch. Amen

PREDIGT
Liebe Gemeinde,
um Veränderung soll an diesem Sonntag Jubilate gehen. Um das christliche Leben, das in uns Gestalt gewinnen will. Wir alle kennen diese hohen Ideale, die uns Jesus Christus vorgelebt hat. Wer Christus nachfolgt, wünscht sich, so zu werden wie er. Doch die Wirklichkeit sieht oft anders aus. Und niemand weiß das besser als Gott selbst.
In der Sonntagsschule habe ich als Kind aus voller Brust das Lied geschmettert: Pass auf, kleines Auge, was du siehst, pass auf kleines Auge, was du siehst. Denn der Vater in dem Himmel schaut herab auf dich, drum pass auf kleines Auge, was du siehst. Und dann ging das so weiter: Pass auf kleines Ohr, was du hörst. Und: Pass auf kleiner Mund, was du sprichst. usw... kleine Hand. kleiner Fuss, kleines Herz." Dieses Lied habe ich gerne gesungen, aber es hat mir auch den Eindruck vermittelt, dass Gott vor allem ein Auge auf mich wirft, um all die falschen Dinge zu entdecken, die ich tue, oder denke oder fühle. Gott sieht ganz genau alles, wo ich weit hinter dem zurück bleibe, was er sich von mir wünscht.

Ist das so? Interessiert sich Gott vor allem für all diese negativen Seiten an mir? Ich möchte in dieser Predigt genau das Gegenteil behaupten. Ich glaube, dass Gott, wenn er auf uns schaut, vor allem etwas sehen kann, was viele vielleicht noch nie oder schon lange nicht mehr in sich sehen konnten. Nämlich dieses absolut liebenswürdige und großartige Wesen, das wir, du und ich, sind.

Der Wochenspruch stellt eine atemberaubende Behauptung auf: "Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Schöpfung. Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden."
Mein ganzes Glaubensleben lang frage ich mich schon, was denn diese neue Schöpfung konkret ist, von der Paulus hier redet. Denn ich sehe so wenig davon. In mir selbst, und - mit Verlaub - auch in vielen meiner Mitchristen. Da sehe ich so viel Altes, so viel Unerlöstes und so viel Nicht-Jesusgemäßes. Wo ist diese neue Schöpfung? Existiert sie nur in der Theorie? Ist sie nur ein frommer Wunsch?
Was sieht Gott in mir und dir, wenn er uns anschaut?

Lassen Sie mich eine wahre Geschichte erzählen. Es geht um ein berühmtes Gemälde des Wiener Künstlers Gustav Klimt. Er bekam eines Tages den Auftrag, die bekannte Patronin Sonja von Knips zu malen. Die Baronin war wahrlich keine Schönheit gewesen. Da sie um 1900 herum gelebt hat, gibt es schon Fotografien von ihr und diese Fotografien zeigen ihr kantiges und hartes Gesicht, das auf ein recht kratzbürstiges und verbittertes Wesen schließen lässt. Doch Klimt wollte sie nicht so malen, wie sie auf den ersten Blick auf ihn gewirkt hat, sondern er fing an, mit der Baronin ins Gespräch zu kommen. Er wollte ihr ganzes Wesen kennenlernen. Er befragte sie zu ihrer Kindheit und ihrer Lebensgeschichte. Er erfuhr, was ihr Freude machte und was sie traurig stimmte. Er lernte ihre Träume und Sehnsüchte kennen. Und er bekam einen immer tieferen Einblick in ihre Gedanken- und Gefühlswelt. Und eines Tages war er dann so weit. Er konnte die Baronin malen und es entstand ein wunderschönes Bildnis von ihr.
Die Baronin war vollkommen fasziniert von diesem Anblick von sich selbst. Und das freute den Künstler sehr. Danach verloren sich allerdings die beiden aus den Augen. Bis es dann 10 Jahre später wieder zu einer Begegnung kam. Doch als Gustav Klimt die Baronin vor sich sah, war er vollkommen verblüfft: Sonja von Knips hatte sich von ihrem Aussehen her  fast vollkommen in das Bild verwandelt, das er einst von ihr gemalt hatte. Und das galt auch für die Veränderung ihres Charakters: aus einer harten, reichen Frau war eine Wohltäterin geworden, die sich in vielen sozialen Bereichen engagierte. Wie war das geschehen?
Jeden Tag hatte die Baronin dieses wunderschöne Klimt-Bild vor sich gesehen und sie entdeckte in diesem Gemälde ein ganz anderes Wesen von sich. Und je länger sie dieses Bild betrachtete, desto mehr spürte sie, dass sie genau so sein wollte und sie fing an, auch so zu werden.

Ich habe eben gefragt, wie Gott uns wohl sieht, wenn er uns anschaut. Ich glaube, er sieht uns genau so wie dieser Künstler, der nicht nur sah, was an der Oberfläche sichtbar war,  sondern der tiefer blickte und der das wahre, schöne Wesen von Sonja von Knips erkannt hatte. Ich glaube, Gott schaut uns mit den Augen solch eines Künstlers an. Er sieht in uns schon diese neue Schöpfung, die wir in seinen Augen tatsächlich schon sind. Gott schaut auf dich und auf mich und er sieht in uns das Bild, wie wir eigentlich gemeint sind. Er sieht unser wahres schönes Selbst, so wie er uns gewollt und geschaffen hat und nicht dieses falsche, verzerrte Selbst, das wir mit den Jahren aus uns gemacht haben.

Paulus sagt "Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Schöpfung."
Was kann es Schöneres geben als genau diese neue Schöpfung, dieses Bild, das Gott von uns hat, kennenzulernen, um sich dann in dieses Bild hinein verwandeln zu lassen.
Aber wie kann das nur geschehen? Wie wird diese neue Schöpfung in uns und an uns Realität? Unser Bibelwort gibt uns eine einfache Antwort: Es kann geschehen, wenn jemand in Christus lebt. "In Christus leben" - Was hat Paulus damit konkret gemeint?

1. Zunächst das: Diese neue Schöpfung, dieses wahre Selbst von uns, verwirklicht sich nicht automatisch und auch nicht durch unsere Anstrengung. Etwa dadurch, dass wir jetzt z.B. eine ausführliche Psychotherapie beginnen zur Verwandlung unseres Wesens. Nein, Paulus zeigt, dass dieser Neuwerdungsprozess daran gekoppelt ist, dass wir in einer innigen Verbindung mit Jesus Christus leben.

2. Wie sieht diese innige Verbindung aus? Drei Verse vor unserem Vers, in 2.Kor. 5, 14 beschreibt Paulus das Wichtigste dafür. Wörtlich aus dem Griechischen übersetzt schreibt er hier, "dass die Liebe Christi uns beherrschen soll." Die Liebe Christi soll uns beherrschen.
Damit ist nicht die Liebe von uns zu Christus gemeint, sondern die Liebe von Christus zu uns. Seine Liebe zu uns soll uns beherrschen.  
Was heißt das konkret? Doch nichts anderes, als dass wir uns endlich seine Liebe wirklich gefallen lassen. Uns von seiner Liebe her definieren und nicht von dem, wie andere oder auch wir selbst oft abschätzig über uns denken. Es bedeutet, dass wir uns Tag für Tag bewusst machen dürfen und bewusst machen müssen, dass Jesus Christus wirklich ein klares Ja zu mir als einmaliger Persönlichkeit spricht. Ich bin ein geliebtes Kind Gottes - wirklich ohne jede Einschränkung.
Lass deshalb seine Liebe zu dir wirklich über deine Gedanken und deine Gefühle herrschen. Lass seine Liebe auch dein Selbstbild bestimmen. All deine Selbstverurteilungen, all deine Zweifel an seiner Liebe müssen endlich zum Schweigen kommen. In Christus leben heißt, seine Liebe zu dir soll Dein Selbstbild beherrschen.  

3. Lass dich dann in dieser innigen Verbindung von Jesus Christus verändern. In 2.Korinther 3, Vers 18 schreibt Paulus: "Wir alle sehen die Herrlichkeit des Herrn wie in einem Spiegel. Dabei werden wir selbst zu seinem Ebenbild verwandelt. Wir bekommen immer mehr Anteil an seiner Herrlichkeit, so wie es der Geist des Herrn bewirkt."

Hier ist im Grunde genommen dieser Prozess beschrieben, den ich eben schon am Beispiel von Sonja von Knips angedeutet hatte. Der jahrelange Blick auf dieses neue, heile Bild von sich hatte die einst verhärtete Baronin  immer mehr verändert und schließlich in dieses andere Bild von sich selbst hinein verwandelt und zu einer warmherzigen Wohltäterin gemacht.

Paulus sagt: Der Blick auf Jesus und seine Liebe zu dir verändert dich ebenso. Und auch der Blick auf das Bild der neuen Schöpfung in dir.
Allerdings ergänzt Paulus ein ganz wichtiges Detail in diesem Prozess. Er sagt, dass der Geist Gottes diese Veränderung bewirkt. Wir haben einerseits unseren Anteil an diesem Prozess: Wir müssen uns für eine innige Verbindung mit Jesus öffnen und lernen, unser Selbstbild von seiner Liebe beherrschen zu lassen. Aber dabei geschieht dann andrerseits auch das, was wir nicht bewirken können, was aber der Geist Jesu in uns und an uns bewirkt. Er gestaltet unser Leben um und verwandelt es mehr und mehr in diese neue Schöpfung, die wir in Gottes Augen schon längst sind.

4. Nun landen wir am Ende wieder bei derselben Fragestellung wie am Anfang: Warum sehen wir aber so wenig von dieser neuen Schöpfung in uns und an anderen? Warum haben etliche von uns auch nach Jahren des Christseins von sich den Eindruck, dass sich bei ihnen gar nichts verändert und verbessert hat. Ich möchte darauf zwei Antworten geben:

Erstens: Ich glaube, wir lassen uns alle viel zu wenig konsequent auf diese innige Verbindung mit Jesus Christus ein. Wir wollen zwar irgendwo mit ihm leben, aber leben wir auch ganz in ihm und aus ihm heraus? Lassen wir seine Liebe und seinen Geist wirklich die prägende Mitte unseres Lebens sein? Je mehr wir uns für dieses "In-Christus-Sein" öffnen, desto mehr werden wir jedenfalls auch erfahren, dass die neue Schöpfung in uns und an uns Wirklichkeit wird. Der Geist Jesu wirkt, wenn wir es zulassen.

Zweitens: Ich glaube, dass die neue Schöpfung auf dieser Erde immer auch etwas Verborgenes bleiben wird. Sie wird immer auch zum Teil eine unsichtbare Realität sein. Vor Gott sind wir in Christus zwar schon zu einer neuen Schöpfung geworden, aber für uns und für andere wird diese neue Schöpfung immer nur begrenzt sichtbar und erlebbar sein. Was nicht heißt, dass diese neue Schöpfung danach drängt, immer mehr jetzt schon Wirklichkeit zu werden.

Lassen Sie mich das zum Schluss mit einem Bild erklären. Wie waren doch die Bäume im Winter so kahl gewesen! Hätten wir noch nie einen Frühling erlebt, so hätten wir gedacht: die sind tot. Doch seit einigen Wochen geschieht dieses unglaubliche Wunder. An den kahlen Ästen bricht eine Knospe nach der anderen auf und Blüten und Blätter entfalten sich. Es ist, wie wenn sich eine ganz neue Schöpfung an den Bäumen entfalten würde. Sie war lange Zeit verborgen gewesen, doch nun drängt sie danach, sichtbar zu werden.
Und genau so ist das auch mit der neuen Schöpfung Gottes in uns. Sie will an den kahlen Ästen unseres Daseins aufbrechen und neue Blüten entfalten. Spürst du, wie da etwas in dir ist, was nach Leben schreit? Es ist noch verborgen in dir, aber es will dort nicht bleiben, es will ans Tageslicht kommen, aufblühen, gelebt werden, Frucht bringen. Lass die neue Schöpfung an dir aufblühen!

Vielleicht sollten wir jetzt einfach in die Stille gehen und die Augen schließen und über uns selbst nachdenken.
Lassen Sie sich den Blick schenken, mit dem Gott Sie anschaut. Spüren Sie, wie er Sie in einem ganz anderen Licht sieht, so wie ein Künstler, der um das wahre wunderschöne Wesen von Ihnen weiß.
Vielleicht spüren Sie dabei aber auch, dass Sie erst noch Zugang zu diesem neuen Selbstbild bekommen müssen, indem Sie sich für eine Beziehung mit Jesus Christus öffnen.
Vielleicht ist es aber auch für Sie dran, dass Sie wieder anfangen die Liebe Christi konkret über sich herrschen zu lassen. Dass Sie ihr Selbstbild von ihm korrigieren lassen.
Und vielleicht spüren wir alle in der Stille vor Gott, welche Knospen und Blüten an unserer Persönlichkeit wieder aufbrechen wollen nach einem langen harten Winter.
Egal, an welchem Punkt wir stehen. Ich wünsche uns allen, dass wir uns in der Stille jetzt ganz bewusst für die Gegenwart Christi öffnen können, und dass er uns zuflüstern kann, was für uns dran ist und was er durch seinen Geist in uns und durch uns bewirken möchte.

"Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Schöpfung. Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden."

Amen

 
GEBET
Jesus Christus, danke, dass du uns anschaust mit Augen der Liebe. Danke, dass du Neues in uns schaffen möchtest. Zeig uns die Frucht, die du in unserem Leben aufblühen lassen möchtest. Wirke an uns und in uns durch deinen Geist.
Wir beten an diesem Morgen für deine Kirche und für uns alle als deine Nachfolgerinnen und Nachfolger. Vergib uns, dass wir oft so wenig von deiner Neuschöpfung und deiner Liebe wiederspiegeln. Hilf uns zu einer innigeren Beziehung zu dir und erneuere uns durch deinen Geist.
Wir beten für diese Welt inmitten der Coronakrise. Wir sehen, wie das Virus immer mehr die armen Länder erfasst und die Schwächsten und Ärmsten bedroht.
Herr, erbarme dich.
Wir beten für die Regierenden, dass sie ein neues Verständnis für globale Solidarität entwickeln. Wir beten auch für unser Land und die Entscheidungsträger in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Befähige sie zu weisen Entscheidungen in deinem Sinne. Gib Einsicht und Weitsicht, Demut und Mut.
Wir beten auch für alle, die an den unterschiedlichsten Orten aktiv sind und helfen. In den Nachbarschaften und Kommunen, in den Krankenhäusern und Altenheimen, in Schulen und Kindergärten, in Supermärkten und Betrieben.
Wir beten für die Erkrankten und für die Sterbenden. Und für die Trauernden.
Wir beten für uns als Gemeinde. Zeig uns den Weg, wie wir hier wieder Gottesdienst feiern können. Stärke und erneuere unsere Gemeinschaft.
In der Stille wollen wir dir unsere persönlichen Anliegen sagen...
   
VATERUNSER

LIED 329 Gott singe mich, ich will dein Lied sein

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