Gedanken zu den letzten Lebensstunden Jesu

08.04.2020

Es wird kein öffentlicher Gottesdienst an Karfreitag stattfinden. Vielleicht können wir stattdessen die stille Zeit zuhause nutzen, um einen Passionsbericht der Bibel mal am Stück zu lesen (Ich lese: Lukas 22+23, man kann aber auch Markus 14+15, Matthäus 26+27 oder Johannes 18+19 lesen). Hier möchte ich ein paar Gedanken darüber weitergeben, was mir beim Studium der letzten Lebensstunden Jesu wichtig geworden ist.

"Dein Leben redet so laut, dass ich deine Worte nicht mehr hören kann!" Das sagte jemand zu dem einflussreichen Prediger, der zuhause seine Familie tyrannisierte und jede kritische Stimme in seiner Gemeinde mit fiesen Mitteln zum Verstummen brachte. Es ist doch so: Manchen Menschen können wir einfach nicht mehr abnehmen, was sie sagen, weil ihr Lebenswandel vom Gegenteil zeugt. Schlimm ist es, wenn Christen das Gegenteil von dem leben, was sie verkünden.
Jesus hat einmal gesagt: "An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen." Er hat nicht gesagt: An den Worten erkennt man meine Nachfolger, sondern an ihrem Lebenswandel und an dem, was ihr Leben ausstrahlt.

Gott sei Dank gibt es auch das Gegenteil: Menschen, deren Leben so laut und authentisch im positiven Sinn redet, dass man ihnen ihre Worte gern abnimmt. Mutter Theresa war z.B. so eine. Sie hat in ihrem Leben eigentlich gar nicht viel gesagt - wenige Worte sind von ihr überliefert, aber ihre "stille" Lebenspredigt war lauter als die meisten lauten Predigten dieser Welt. Was sie tat, sprach Bände.

Und noch viel stärker trifft das auf Jesus Christus zu. Von ihm sind viele Worte überliefert. Aber er war nicht nur ein großer Lehrer, sondern auch ein beeindruckender "Täter" dessen, was er lehrte. Jesus hat gelebt, wovon er gepredigt hat. Er hat nicht nur über Liebe gesprochen, er hat geliebt. Er hat nicht nur vom Glauben erzählt, sondern er hat vertraut. Seine Worte waren wahr, weil sie von seinem Leben gedeckt waren. Von Anfang an.

Das können wir in besonderer Weise in seinen letzten Lebensstunden sehen. Auf seinem Weg ans Kreuz fällt mir diese Übereinstimmung von Jesu Lehre und Leben besonders auf. An 4 Aspekten möchte ich das aufzeigen:

1. Wie Jesus mit Autoritäten umgeht
Sowohl bei seinem Verhör vor dem jüdischen Hohen Rat, als auch vor Herodes und vor Pilatus fällt mir auf, dass Jesus nur ganz wenige Worte spricht. Doch diese Worte sind voller Kraft und Autorität und Wahrheit. Jesus lässt sich weder dazu hinreißen, sich irgendwie aus der Sache herausreden zu wollen, noch lässt er sich dazu provozieren, zornig und ausfallend zu werden. Jesus taktiert auch nicht. Seine Worte sprechen die einfache Wahrheit klar aus. In diesen Verhören scheint es fast so, als wäre er der Herr und nicht die religiösen und politischen Machthaber.
Woher hatte Jesus in dieser ausweglosen Lage diese Autorität? Warum konnte er so klar und so stark sein? Weil er die Wahrheit auf seiner Seite wusste, weil er Gott auf seiner Seite wusste.
Jesus hat einmal zu seinen Jüngern gesagt: "Wenn man euch vor die Gerichte der Mächtigen schleppt, dann macht euch keine Sorgen, wie ihr euch verteidigen und was ihr sagen sollt. Denn der Heilige Geist wird euch in der gleichen Stunde eingeben, was ihr sagen müsst."
Genau das erlebte Jesus bei diesen Verhören - der Geist Gottes leitete ihn. Und genau das dürfen wir auch erwarten, wenn wir einmal selbst für die Sache Jesu in Konfrontation gehen müssen. Wir dürfen uns dann dessen bewusst sein, dass die Macht Gottes hinter uns steht und dass sein Geist uns die rechten Worte schenken wird - wenn wir etwas in SEINEM Namen tun.

2. Wie Jesus mit Menschen umgeht, die ihm Gewalt antun
Die Gewalt gegen ihn fing damit an, dass Bewaffnete im Garten Getsemane erschienen, um ihn zu verhaften. Da zückten einige Jünger die Schwerter und baten um Erlaubnis für den Kampf. Einer schlug im Affekt dem Diener des Hohenpriesters ein Ohr ab. Da schreitet Jesus ein: "Hört auf damit!" Statt dass Jesus weitere Wunden schlug, heilte er das Ohr des Dieners und ließ sich ohne Gegenwehr. festnehmen.
Und dann wird er gefoltert und bis aufs Blut geschlagen und gequält. Doch wir hören keine Verfluchungen aus seinem Mund, kein böses Wort. Jesus bleibt stumm, er jammert nicht, er schreit nicht.
Und dann nageln sie ihn an ein Kreuz, wo er über Stunden hinweg hängt und qualvoll sein Leben aushaucht. Menschen gehen an ihm vorüber, spucken den Wehrlosen an, lachen ihn aus. Doch Jesus betet: "Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun."
Was für eine Autorität steht hinter diesem Gebet!
Jesus hat einmal gesagt: "Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann haltet ihm auch die andere hin. Was tut ihr Besonderes, wenn ihr nur die liebt, die euch lieben? Ihr sollt eure Feinde lieben und für die beten, die euch verfolgen."
Jesus hat genau das in seinen letzten Lebensstunden getan. Er hat nicht nur seine Freunde und Sympathisanten geliebt, sondern auch seine Feinde. Wie peinlich wirken dagegen die kleinen Machtspiele und Vergeltungsaktionen, die wir manchmal veranstalten! "Ihr sollt einander lieben, wie ich euch geliebt habe!" sagt Jesus.

3. Wie Jesus mit Gott ringt
Im Garten Getsemane ringt Jesus mit Gott in Bezug auf diesen fürchterlichen Weg, den er auf sich zukommen sieht. "Kannst du diesen Kelch nicht an mir vorübergehen lassen?"
Es ging wohl nie ein Mensch über diesen Erdboden, der so nah an Gott dran war wie Jesus. Jesus war Gottes Liebling, ist Gottes Sohn. Sein Gebet hatte göttliche Vollmacht. Ich bin davon überzeugt, dass Jesus diesem Leidensweg hätte entgehen können, wenn er das gewollt hätte. Er hätte Gott umstimmen können. Jesus hätte sein Gebet als ein mächtiges Instrumentarium für seine persönlichen Wünsche gebrauchen können. Aber er tat es nicht, er begriff im Ringen mit Gott, dass dieser Leidensweg notwendig ist, um Gottes Liebe endgültig zum Durchbruch zu verhelfen. Jesus erkannte im Gebet Gottes Wille und er ordnete seine Wünsche diesem Willen unter. "Nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe."
Können wir so beten? Sind wir bereit, den Willen Gottes unseren Wünschen überzuordnen?
Jesus hat es getan - für uns alle - Dir und mir zu Gute.

4. Wie Jesus mit seinen Freunden umgeht, die versagen
Die Passionsgeschichte beginnt mit dem letzten Abendessen, das Jesus mit seinen Freunden einnahm. Es müssen bewegende Momente für ihn gewesen sein. Bevor alles Dunkle auf ihn einstürzte, brauchte er noch einmal die Nähe und Geborgenheit seines Freundeskreises.
Doch wer ist da noch dabei bei diesem letzten Abendmahl? Es ist Judas, von dem Jesus wusste, dass er ihn verraten würde! Es ist für mich unbegreiflich, wie Jesus den Verräter in diesem intimen Moment noch bei sich ertragen konnte. Aber mir wird klar: Jesus hatte den Judas nicht ausgeschlossen. Jesus hat bis zuletzt zu ihm gehalten. Nicht Jesus hatte Judas ausgeschlossen, sondern Judas hatte sich selbst durch den Verrat ins Abseits gestellt.
Und dann die Verleugnung durch Petrus. Dreimal streitet der sonst so mutige "Felsenmann" ab, Jesus zu kennen. Jesus hatte das mitbekommen. Und es muss ihm sehr weh getan haben. Aber Jesus kündigte ihm trotzdem nicht die Freundschaft auf. Nach seiner Auferstehung geht Jesus wieder auf Petrus zu. Geht wieder auf den zu, der ihn so enttäuscht hat, schenkt ihm neu sein Vertrauen.
Wie geht Jesus mit seinen Freunden um, die versagt haben? Er gibt sie nicht auf. Er hält trotz allem an ihnen fest. Ihnen gilt erst recht das Gebet, das Jesus am Kreuz betete: "Vergin ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!"
Jesus hat einmal gesagt: Es gibt keine größere Liebe als wenn einer sein Leben für seine Freunde gibt."
Jesus hat das nicht nur theoretisch gesagt, sondern er hat sein Leben tatsächlich hingegeben - auch und erst recht für die, die ihn enttäuscht haben.
"Nicht ihr habt mich erwählt," sagt Jesus, "sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr hingeht und Frucht bringt."
Das gilt auch für uns. Wir sind Jesu Freunde. Er hat uns erwählt und dazu bestimmt, dass wir hingehen und Frucht bringen. Doch Jesus hält auch erstaunlicherweise an uns fest, wenn wir keine Frucht oder falsche Früchte bringen, wenn wir versagen und schuldig werden. Jesus lässt uns nicht los, selbst wenn wir ihn einmal losgelassen haben. Jesus steht für eine Liebe, die uns einen immer neuen Anfang ermöglichen möchte.

Soweit meine Gedanken zu den letzten Lebensstunden Jesu.

Das Leben mancher Menschen redet im negativen Sinn so laut, dass man ihre Worte nicht mehr hören mag.
Das Leben und Sterben Jesu redet im positiven Sinn so klar und authentisch, dass man seinen Worten getrost glauben kann.

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